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『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

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0062 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 62 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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behandeln. Immer fühlte ich, daß alle sich unendlich erhaben über den fremden Barbaren dünkten. Mit philosophischer Miene schaute mir manchmal ein Hausvater stundenlang beim Schreiben und Zeichnen zu und befreite mich ab und zu mit kräftigen Flüchen von seinem neugierigen Volk, wenn es sich wie lästige Fliegen immer wieder in meine Nähe drängen wollte. Unablässig, nervös drehten dabei die meisten dieser alten Herren bald in der linken, bald in der rechten Hand zwei große runde Spielkugeln aus Glas oder Metall. Plötzlich platzte einer mit der Frage heraus : „Seht ihr Fremden alle so häßlich aus? Habt ihr alle so große Nasen?" Und wie um sich zu verbessern, wurden dann meine Ohren für schön und groß erklärt. Ich müsse jedenfalls sehr klug sein. Große Ohren gelten in China stets für ein Zeichen von Klugheit.

Gibt es in eurem Lande auch Wasser, gibt es Flüsse und Berge?" Wie oft wurde ich dies gefragt von ganz vernünftigen Leuten, ja von „Hsiu tsai", von Männern, die ein Staatsexamen bestanden haben. Ochsen und Schafe gebe es keine außerhalb des Reichs der Weltmitte, das wußten sie alle ganz bestimmt, denn wir Fremden kaufen ja alle Häute und Wolle auf, die es bei ihnen gibt. „Aber was macht ihr denn mit der Wolle? Kann man da etwas zum Essen daraus machen?"

Wie oft im Tag eßt ihr überhaupt?" war eine Frage, die mir sicher tausende Male gestellt wurde. „Eßt ihr zweimal oder dreimal am Tage?" Daß jemand noch öfter ißt, kann sich kein chinesischer Bauer vorstellen. Dem Menschen ist eigentlich gesetzt, nur zweimal des Tages zu essen. Und das ging so zu: Als der große Heros Yü wang ye die Welt ordnete, sandte er einen Abgesandten zu den Menschen, um ihnen zu sagen, daß sie zweimal am Tage zu essen hätten. Der aber richtete seinen Auftrag ungenau aus, und so entstand die Ungleichheit, daß die einen zu wenig und die anderen zu viel haben. Wenn alle Menschen nur zweimal am Tage essen würden, gäbe es keinen sozialen Unterschied.

Seinen Diener beim Essen zu stören, gewöhnt sich gewiß jeder Europäer ab, der in China nicht bloß mit der geduldigen Küstenjugend zu tun hat. Auch bei den patriarchalischen Familienessen im Tsin ling durfte keiner die Ruhe stören. Der Da sche fu, der Küchenchef, das wichtigste Glied eines Hausstandes, gab jedem eine geräumige Schüssel voll Nudeln oder Reis. Die Respektspersonen saßen um einen großen viereckigen Tisch auf langen, aber ganz schmalen Bänken; oft hockten sie darauf wie Hühner auf ihrer Stange. Kein Wort wird beim Essen verloren. Die Schüssel ganz nahe an den Lippen, schiebt jeder mit den langen Eßstäbchen unter Schlürfen und Schmatzen so viel in den Mund, als er kann. Zu gemeinsamem Gebrauch stehen eine Reihe Platten auf dem Tisch mit „ts`ai", auf deutsch „Gemüse", „Beilagen" ; das sind aber Fleischstückchen, vor allem vom Schwein, dann auch Eier, Paprika, Flechten usw. Fleisch als Hauptspeise kommt als Alltagsgericht selbst bei den Reichen nicht vor. Am Boden hockten die jüngeren Leute und sittsam im Nebenzimmer die vielen Frauen der Familie und die erwachsenen Töchter. Oft waren es zwanzig und mehr Personen, und ein Tauber kann es hören, wie es ihnen schmeckt und

geschmeckt hat.

Die Straße von Lung tschü tschai nach Tung kwan ting führt meist im Grunde von engen Durchbruchstälern. Selten nur bot sich mir ein weiterer Ausblick. Obwohl die tiefeingeschnittenen Täler erst wenige hundert Meter über dem Meer liegen, geben sie nur noch eine Jahresernte. Die Vegetation

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