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『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

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0379 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 379 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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Während dieser Worte standen die übrigen Leute draußen vor dem Zelt versammelt. Als Tschang die Zeltleinwand hob, warfen sie sich vor mir nieder, berührten die Erde mit ihrer Stirne und riefen jammernd: „Wir sterben, Herr, wir sterben! Laß uns nach Hause zurückkehren!"

So begann eine lange dramatische Verhandlung, die sich bis nach Mitternacht hinzog. Dann endlich hatte ich wenigstens unter meinen Dienern auch den letzten Zweifler überzeugt, daß die Götter nicht zürnen, weil ich, der Europäer, den Kranich geschossen, daß nur die Chinesen und Tibeter das Pech hätten, von den Kranichen abhängig zu sein. Auch die Würfel offenbarten nach Mitternacht eine viel günstigere Prognose, zumal, als ich sie selber in die Hand nahm. Bloß die vier Tschamri-Tibeter waren nicht zu überzeugen. Sie blieben verängstigt und bestanden auf der Abrechnung. Ehe der Morgen graute, trieben sie ihre vierzig Yakochsen weiter nach Westen zum Dábassu nor, um sich dort Salz zu holen, das sie später in Dankar verkaufen wollten.

Also noch bevor die böse Tala hinter mir lag, war ich schon ganz allein auf meine eigenen Kräfte angewiesen. Wohl hatte ich 65 Yak und 17 Pferde und Maultiere. Es war aber von meinen Vorräten noch so wenig aufgebraucht, daß in den nächsten Tagen sogar die Reittiere beladen werden mußten und die Ochsen trotzdem noch viel zu viel zu schleppen hatten. Dies hatte ich dem Kranichschießen zu verdanken. Und es war doch ein Glückschuß gewesen, auf 150 m hatte meine Kugel mitten durchs Herz getroffen.

Am Morgen des 1. Mai lag rings um uns Schnee. Das Gewitter der Nacht hatte ihn gebracht. Jetzt entdeckten wir mit einem Male zwischen den Dünen mehr als ein Dutzend schwarzer Zelte und riesige Viehherden, die ohne Schnee gar nicht zu erkennen gewesen waren. Die Sandmassen liegen hier wie in der Ordos immer in Nestern beisammen, dazwischen finden sich ausgedehnte Grasweiden, die den größten Herden Futter bieten. Wir legten einen Rasttag ein und ich sandte je zwei Leute zu dem mystischen weißen Zelt am Seeufer und zu den Herdenbesitzern in der Ferne. Ich erfuhr, daß der Si ni ts`o und der Gungga nor, sowie eine Strecke von 50 km entlang dem Huyuyung tschü dem gleichen Stamm gehöre und daß dieser sich „Tschebts` a" nenne. Vor wenigen Dezennien erst sind die Leute von der anderen Seite des Hoang ho herübergekommen. Sie hatten aber mit meinen Tschebts`a drüben bei Kue de nichts mehr gemein, hatten einen eigenen und völlig unabhängigen Häuptling, dem der Amban den Roten Mandarinenknopf verliehen batte und der alle Jahre von den Chinesen eine gewisse Anzahl Scheffel Reis, Weizen und Gerste in Empfang nahm. Die Huyuyung-Tschebts`a besuchen oft den Markt in Dankar, um ihre Häute und Wolle zu verkaufen und Gerste und andere unentbehrliche Sachen einzuhandeln. Wenn sie auch mit Hunderten von Lasten ankommen, brauchen sie den Behörden keinerlei Zoll dafür zu zahlen. Als Gegenleistung sind sie nur gehalten, allen Karawanen, die durch ihr Gebiet kommen, freien Durchzug zu gewähren und „ula" 1) zu stellen, d. h. vorkommendenfalls für

Soldaten und Regierungskarawanen kostenlos Transporttiere zu beschaffen. Ihnen ist also das chinesische Joch denkbar leicht gemacht. Das Areal der

Tschebts`a mißt weit über 1000 qkm. Auf diesem ziehen sie mit 150 Familien hin und her. Ich habe den Häuptling, einen redegewandten Mann von 45 Jahren,

1) Ula oder Ulag ist jedenfalls ein türkisch-mongolisches Wort. Das Wort wie der ganze Gebrauch wurde jedenfalls erst durch die Mongolen eingeführt.

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