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0264 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 264 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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„Hemd am Leibe zu verkeilen". Manche von den Pfandhauskunden wollten jetzt auch zu vorgerückter Stunde, nachdem sie ihre Schulden bezahlt oder das notwendige Bargeld einkassiert hatten, die Staatskleider für die bevorstehenden

Festtage noch einlösen.

In demselben Gasthause wie ich, nur schrägüber von meiner Türe, wohnte eine vielköpfige Chinesenfamilie, bei der es die ganze Neujahrsnacht wüsten Lärm gab, so daß ich kaum ein Auge zutun konnte. Ein halbes Dutzend Gläubiger hatte sich dort allmählich zusammengefunden, die alle bezahlt sein wollten.

Jedem erklärte erst der Mann in aller Ruhe, er sei leider zahlungsunfähig, er
werde aber gerne in den nächsten Monaten Abzahlungen leisten. Keiner der

Bedränger wollte sich damit begnügen. Jeder ließ nach den ersten beredten

Vorstellungen die Augen nach etwas Brauchbarem in der Familienwohnung
umherschweifen und verlangte dann plötzlich dies oder jenes als Pfand oder

Ersatz. Doch keiner erhielt so leicht etwas. Stundenlang zerrten die Parteien

an den Gegenständen hin und her, bis der Familienvater endlich nachgab. Am
frühen Neujahrsmorgen war die ganze Wohnung ausgeräumt, die Schlafdecken

fehlten und der Frau hatten die Privatexekutoren ihre Jacke vom Leibe weg-

gerissen. Es sah bei den Leuten zum Erbarmen aus. Als aber der Tag graute,
als keine Gläubiger mehr zu erwarten waren, als jedermann sich mit „gung

schi !" „gung schi !" beglückwünschte, da war auch mein Ehepaar in Samt

und Seide gekleidet und alle seine Kinder hatten, wie es der Anstand verlangte,
ihre neuen Schub e. Wie ich jetzt erst erfuhr, war der Mann so vorsichtig gewesen,

mit Hilfe meiner Diener einige Kisten mit seinen Habseligkeiten in meinem Höfcben unterzubringen, wo er sie nun wieder hervorgeholt hatte. Der Mann galt auch mit nichten für bankrott. Er hatte nur kein Bargeld mehr, um alle Schulden decken zu können.

Beim ersten Hahnenschrei, es war noch lange nicht Tag, kamen schon meine Diener von der Neujahrscour aus ihren Familien zurück und machten mir

den Neujahrs-Ko tou, für den die Angestellten immer ein größeres Geldgeschenk

bekommen. Auch die ersten offiziellen Besucher, darunter der Hsien und einige
mir bekannte Offiziere der Stadt, standen um 6 Uhr früh vor meiner Türe, als

eben erst die Sonne aufging. Sie kamen aus den Tempeln, wo sie den offiziellen Staatsgöttern und dem Kaiser geopfert und gratuliert hatten. In China lernte ich, was es heißt, den Bekannten Neujahrsbesuche machen und zum Neujahr Glück wünschen. Wie wir dies im alten Europa treiben, kann sicherlich keinem Chinesen imponieren. Vom ersten Tag des Jahres ab sind die Bewohner des Reiches der Mitte tagelang von früh bis spät auf den Beinen und eilen von einem zum anderen, um jedem Bekannten ihren Glückwunsch in Form einiger Ko tous auszudrücken. Jedermann wäscht sich am Neujahrsmorgen das Gesicht und erscheint in möglichst neuen Festkleidern und alle Türen, alle Hauspfosten und Geräte sind mit glückverheißenden Worten und Sprü-

chen neu beklebt, das Papier dazu ist, wenn kein Trauerfall in der Familie vorliegt, von feuerroter Farbe'). Darum sieht es auch an Neujahr in ganz

China hübsch und geordnet aus, vor allem aber unbeschreiblich bunt. Auch bei mir hatten die Diener in der Neujahrsnacht an die Außenseite aller Türen neue Bilder der Torgötter und über den Herd ein neues Bild des Küchen-

             
             
             
             
             
             
             
             
     
 
       
             
             
             
               

1) In der Farbe des „ Yang", siehe S. 21, Anm.

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