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0361 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 361 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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Gott sie gar nicht beachtete. Er war noch so jung, daß er nur Sinn für die Streiche des Erdgeistes hatte. Von dieser Kindlichkeit abgesehen, muß ich aber bekennen, daß er sich auffallend wohlerzogen und würdig benahm. Von ihrer Jugend haben diese als Götter verehrten Kinder nicht viel. Frühzeitig haben sie stundenlang wie eine Buddhafigur stillzusitzen, haben endlose Litaneien mit unsagbar vielen, ihnen total unverständlichen Worten, die teilweise aus dem Sanskrit entlehnt sind, auswendig herzuplappern, haben sich anbeten und anräuchern zu lassen, und die Außenwelt bekommen sie nur durch die Brille ehrwürdiger alter Professoren zu sehen.

Ich bin selten in einem tibetischen Kloster ähnlich liebenswürdig aufgenommen worden wie in dem von Dunkur; und ich wunderte mich sogleich darüber. Meist sind die Priester recht unartig gegen uns Fremde. Auch genießen nur die einheimischen Fürsten die Ehre, neben den Klosterheiligen auf dem Balkon sitzen zu dürfen. In der Regel können sogar nur diejenigen mit den Göttern zusammensitzen, die mit ihnen blutsverwandt sind. Die überraschende Liebenswürdigkeit der Klostergewaltigen von Dunkur hatte ihre Grundursache darin, daß sie in große Not geraten waren. Man wollte und hoffte, daß ich dem Kloster und seinem Gotte aus der Klemme helfe. Ich sollte den Dunkurbuddha gegen seine Widersacher unterstützen. Als ich zu begreifen begann, fühlte ich mich wie ein Titan, der den Olympiern sich gleich dünkt. Es ist zwar die Regel im modernen Buddhismus, daß jeder Gott einen Hüter und Schutzengel hat, aber ich hätte es doch nicht für möglich gehalten, daß der Abt und die Inkarnation eines Klosters so ohne weiteres ihre Ohnmacht eingestehen und um Hilfe bitten würden.

Seit geraumer Zeit machte der Häuptling der Be schu-Tibeter vom Kuku nor dem Kloster bitter zu schaffen. Man hatte seinetwegen einen großen Prozeß anstrengen und den Amban als Richter anrufen müssen. Dies hatte schon viel Geld verschlungen und noch immer war kein Ende abzusehen. Ein Stück Weideland am See war das strittige Objekt.

Die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen tibetischen Großen bildet die Haupteinnahmequelle des Amban - Ya men. Jede Besprechung kostet die Tibeter erstens Türhütergelder, sonst werden sie überhaupt nicht vorgelassen, zweitens eine große Summe für den offiziellen Dolmetscher, der gewissermaßen der Anwalt der Partei wird, und drittens eine mindestens ebenso hohe Summe an den Privatsekretär, ganz zu schweigen von den Gebühren des Mandarinen. Hunderte und Tausende können draufgehen, bis ein Tibeter zu seinem Richter vorgelassen wird. All dies hofften die Räte vom Dunkurkloster künftighin zu sparen. Sie hatten meinen vom Amban ausgestellten Paß gelesen und waren überzeugt, ich sei der Freund des Amban und könne ihnen helfen, wenn ich nur wolle. Es war schwer für mich, aus diesem Dilemma einen Ausweg zu finden, ohne die Priester mir zu Feinden zu machen. Ich antwortete selbstverständlich möglichst ausweichend. Um mich willfähriger zu stimmen, wurden meine Diener beim Abschied von den Priestern mit Geld beschenkt und auch ich erhielt ein Geschenk mit auf den Weg. Sie gaben mir einen Leckerbissen, den die Tibeter ganz besonders hoch schätzen, einen ganzen Schafmagen voll frischer süßer Milchhaut, wie sie sich beim Kochen und langsamen Wieder-erkalten von Milch bildet. Der Geschmack von Ost und West ist doch ziemlich verschieden. Wer läßt sich bei uns durch zwei Liter Milchhaut bestechen?

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