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『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

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0043 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 43 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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gedrängt. Sicher ungern und nur, weil es sich nicht anders machen ließ, hat man das Schema etwas verändert, hat oft viele hohe und schmale Steinstufen vor die Tempel gesetzt. Aber immer wieder findet man die Rampen und Galerien mit dem gleichen in sich verzapften Steingeländer, ganz wie wir es auch an den kaiserlichen Tempeln zu Peking sehen können. Immer wieder stoßen wir auf die gleichen, großen Pavillone, die hohe Stelen schützen und schmücken.

Immer und ewig kommen die gleichen Elemente der alten chinesischen Architektur zur Anwendung. Nirgends bekam ich das Gefühl, daß sich die Erbauer noch zu einem anderen, einem neuen Gedanken aufschwingen könnten. So würde dieses der Ausdehnung und ganzen Anlage nach zu den großartigsten Schöpfungen des Mittelalters gehörende Werk für uns moderne Europäer unendlich ermüdend wirken, wäre nicht die Verteilung der einzelnen Baugruppen so geschickt gelöst, würden nicht die Architekturelemente die Sonderbarkeiten der Natur ausnutzen und sich in so entzückender Weise in sie eingliedern.

Man kann Bücher über den Wu dang schan schreiben, und die Chinesen haben dies sogar schon getan. Eine achtbändige Beschreibung des T`ai ho schan -- wie der Berg in den Büchern genannt wird -- kam in meinen Besitz. Auch in der Chronik und Ortsbeschreibung von Stadt und Land Kün tschou, einem Werk von gleichfalls acht Bänden, findet sich unter einem Wust grotesker Behauptungen, neben der Aufzählung der sittsam und unverheiratet gebliebenen Witwen, neben den glücklichen Examenskandidaten, den Föng schui-Konstellationen, den Mißgeburten, Erdbeben und Wassersnöten einiges, was auf die Geschichte des Berges bezug hat.

Auf Schritt und Tritt drängte sich mir bei meinem Besuche Typisches und Charakteristisches aus dem chinesischen Leben auf. Wie alles in China, so sehen auch diese Bauten hier erst auf eine ziemliche Entfernung hübsch aus. Daß sie verwahrlost sind und langsam verfallen, daran nimmt nicht einer unter den Millionen von Pilgern Anstoß. Viele fliegende Händler betreiben am Wege ihren kleinen Handel, und je höher ich kam, desto zahlreicher stellten sich Bettler ein ; jammervolle Gestalten, halb oder vollkommen nackt, Aussätzige mit den fürchterlichsten Entstellungen, Menschen, die sozusagen nur noch zur Hälfte vorhanden sind, haben da ihre Wohnungen am Wege. Oft muß der schmale Pfad noch um ihr Strohhüttchen herum, das winzig klein und so gräßlich schmutzig ist, daß bei uns kaum ein Hund darin hausen möchte. Da liegen sie im Schmutze der Straße, zehenlos oder mit gelähmten atrophischen Gliedern, womöglich noch blind, die unglücklichsten Geschöpfe der Erde. Jammerwürdig um einen einzigen Cash schreiend, schlagen sie mit ihren oft kaum mehr menschenähnlich aussehenden Gesichtern rhythmisch auf den Boden. Es ist das härteste Schicksal, hilflos und arm im armen China zu sein ! Aus weitem Umkreis haben sich diese schrecklichen Wesen an den heiligen Berg zusammentragen lassen; sterben sie endlich, so werden sich nur noch die vielen herrenlos um ihre Wohnlöcher herumlungernden räudigen Hunde um den Kadaver streiten. Solange sie aber noch leben, müssen sie alle von morgens bis abends schreien und ohrenzerreißend jammern. Nur wer den Berg hinaufsteigt, gibt, und von diesen nur wenige, aber sicher kein einziger, der herabkommt; und wenn etwas für diese Armen abfällt, dann ist es „ga ts`ien", ein fast wertloses falsches kleines Kupferstück. Man könnte meinen, auch das Geld habe hier den Aussatz bekommen. Nie mehr sah ich in China so viel schlechtes Geld wie hier. Jahre-

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