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0339 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 339 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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Stämme im Süden der Stadt, hatte einem chinesischen Kaufmann ein Pferd

verkauft. Kaum aber war der Handel abgeschlossen, so wurde ruchbar, daß

der Tibeter das Pferd bei einem Nachbarstamm gestohlen hatte. Um nun nicht

als gemeiner Dieb, sondern als Grandseigneur dazustehen, der einen solch

fatalen Vorwurf nicht auf sich sitzen läßt, auch damit er nicht politische

Schwierigkeiten für den ganzen Stamm heraufbeschwöre, war unser Tibeter

gezwungen, das gestohlene Pferd dem früheren Eigentümer, einem Tibeter,

zurückzubringen. Denn wie schon bei uns in der Raubritterzeit, so hält man

auch überall in Tibet auf gute Sitte und guten Ruf. Der junge Mann geht also

zum Chinesen, um das Tier zurückzukaufen. In seiner Not bietet er jenem

sogar etwas mehr, als er bekommen. Der Chinese aber ist unerbittlich. Er will

den Handel unter keinen Umständen rückgängig machen. Allzuviel freilich

kann ihm der Tibeter auch nicht bieten, denn dieser hatte das Pferd nur geraubt,

um seine Finanzen etwas auf den Damm zu kitzeln. Wie hilft sich in solcher

Not ein Tibeter? Als der Chinese am Tag darauf sein Pferd aus dem Stall führt,

rennt ihn der Tibeter über den Haufen, schwingt sich auf das Tier und ver-

schwindet auf Nimmerwiedersehen in die Steppe. Seine Freunde bringen das

Tier dem Besitzer, dem es zuerst geraubt war. Die Ehre ist gerettet. Ein Chinese

zählt hier nicht.

Mein erster Gang am Morgen nach unserer Ankunft galt dem Or fu, dem

Ting, im Innern der Stadt. Am Tor seines Ya mens wurde ich mit Böllerschüssen

empfangen. Eine große Ehrung in China, die ich der Empfehlung des Ambans und

dem Wunsche, daß ich nicht von hier aus ins Ts`ao ti gehe, zu danken hatte.

Das Ya men-Gebäude war in einem auffallend verwahrlosten Zustand; der

Platz ist sehr unbeliebt bei der Beamtenschaft. Keiner bleibt länger als ein

Jahr und so läßt keiner die Amts- und Wohnräume herrichten. Bei Regen-

wetter halten nur ganz wenige Zimmer dicht. Selbst im Gästeraum hingen

große Stücke des Papierplafonds von der Decke herab. Man sah durch die

Löcher bis zu den Ziegeln des Dachfirstes hinauf und zwischen den Ziegeln

lugte die Sonne herein. Zum Glück hatte ich das Gemach bei schönem Wetter

aufzusuchen.

Ich wurde in denselben Raum geführt, in dem das Jahr zuvor der „Krieg

von Kue de" begonnen hatte. Auf derselben breiten Bank, auf demselben, mit

einem schäbigen roten Baumwollstoff überzogenen Kissen wie ich saß damals

Seine buddhistische Heiligkeit, der gefürchtete tibetische Lama, die Inkarnation

vom sogenannten schwarzen Kloster, süße falsche Worte mit dem damaligen

Ting von Kue de wechselnd. Er war auf die Bitte des Chinesen gekommen, um

sich vor einer größeren Reise, die er anzutreten im Begriff war, als Freund zu

verabschieden und hatte eben einen großen Yüan bau, ein etwa zwei Kilogramm

schweres Silberstück, aus den Händen des Ting erhalten, um für ihn in Lhasa

Weihrauch und indische Datteln kaufen zu lassen. Seine Begleiter, etwa 300 Be-

waffnete, erwarteten ihn draußen in der Ebene vor der Stadt. Stundenlang

redeten die beiden hin und her. Der Chinese wollte den Tibeter auch zum Essen

da behalten. Das Kaufgeschäft, die süßen Worte, die Einladung, all das war

aber nur Schein und Trug.

Der heilige Lama war bekannt als das Haupt eines Räuberstammes, der

den armen Städtern das Leben verleidete. Unterhalb von Kue de, rechts vom

Hoang ho, hinter hohen steilen Bergen, in Schluchten, wohin man nur auf

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