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0058 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 58 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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Auch der Schulze des kleinen Ortes hatte sich gefunden. Es war ein gesunder Mann in mittleren Jahren, und wie sich jetzt herausstellte, wohnte er ganz dicht neben meinem Gasthause und hatte mir den Tag vorher sehr oft selbst versichert, der Schultheiß sei nicht zu Hause. Als sein Sohn von den Soldaten gebracht wurde, schluckte er rasch in selbstmörderischer Absicht eine große Dosis Opium. Er wäre wohl daran zugrunde gegangen, wenn nicht etwas Apomorphin, das ich ihm einspritzte, bei ihm seine Wirkung getan hätte. Aber über den Verbleib meiner Instrumente kam doch nichts heraus.

Als ich am Nachmittag wiederkam, hörte ich schon von weitem das abscheuliche Klatschen und Patschen des altmodischen chinesischen Gerichtsverfahrens. Man war also, um die Wahrheit herauszubekommen, trotz meiner Vorstellungen zum alten barbarischen Prügeln übergegangen. Der Mandarin, ein Mohammedaner aus der Provinz Hu nan, war auf dem besten Wege, die ganze Dorfgemeinde männlichen Geschlechts durchprügeln zu lassen. Gerade war wieder der Schultheiß unter der Arbeit gewesen. Der Mandarin befand sich in einer schrecklichen Wut. Und als ich ihn an meine skeptische Antwort vom Morgen erinnerte, daß er auf diese Weise wohl nie die Wahrheit erfahren werde, kreischte nur noch seine Stimme: „Da! da!" (Haut! haut!). Alles, was in der Gegend weit und breit früher einmal eines kleinen Diebstahls oder Schmuggels sich schuldig gemacht hatte, war von seinen Soldaten herbeigeschleppt worden, und alle mußten noch einmal mit ihren Rückseiten an ihre alten Sünden glauben. Sie sollten, sie mußten den Dieb wissen. Wollte ich, verärgert über diese sinnlose Prügelei, abreisen, so kamen Dutzende von Soldaten, die mir meine Lastkuli anhielten und mir immer erklärten, eben habe man den Dieb gefunden.

Nach drei nutzlos vergeudeten Tagen erst ließ man mich endlich weiterreisen. Verschämt deutete beim Abschied der Mandarin an sein Gesicht und meinte, dies sehe nicht schön aus. Es ist dies die gewöhnliche Ausdrucksweise für Schande. Wer mich bestohlen hatte, blieb unaufgehellt. Zwei Reisetage später erreichte ich dann wohleskortiert den Ort King tse kwan (spr.: Tschintse guan) am Dan-Fluß.

Hier machte ich eine neue Erfahrung, die ich meinen Lesern nicht vorenthalten möchte, da sie wieder typisch für den chinesischen Charakter ist und einen guten Begriff von den vielerlei Widerwärtigkeiten und Schwierigkeiten gibt, die einem Fremden in China widerfahren. Ohne mein Vorwissen hatte sich mein Diener Ma in den Ya men von King tse kwan begeben und dort versucht, einen mir gänzlich unbekannten Bauern, der wegen Grundsteuerhinterziehung eingesteckt worden war, zu befreien. Ma hatte unter Vorzeigen meiner Karte vorgegeben, jener sei einer meiner Diener und ich wolle ihn jetzt mit mir nehmen. Chinesische Große stellen nämlich oft tatsächlich derartige Verlangen. Wäre der Anschlag gelungen, so hätte Ma natürlich von der Familie des Betreffenden ein hübsches Geldgeschenk bekommen. Zum Glück aber zog der Beamte, ein Fen hsien, noch selbst bei mir Erkundigungen ein, und nur diesem „Zufall" verdanke ich es, daß ich nicht unwissentlich in einen peinlichen Rechtsstreit verwickelt wurde. Am liebsten hätte ich daraufhin meinen Ma entlassen, aber wo hätte ich rasch einen besseren Ersatz gefunden? Wie viele Chinesen können überhaupt einer derartigen Versuchung widerstehen? Was w i r unter Gewissen verstehen, geht dem gewöhnlichen

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