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0224 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 224 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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sehen kann. Gesprochen wird zunächst kein Wort. Gilt es ein größeres Objekt, ein Pony oder dergleichen, so schlüpfen nicht bloß die zwei Handelsparteien, sondern bald auch alle Begleiter und Bekannte, selbst die Gaffer von der Straße einander gegenseitig in die Ärmel. Es gibt j a nichts Schöneres für die Chinesen als so ein kleiner Handel. Jetzt schimpft man aufeinander, lacht einander aus. Zu teuer!" — „Du bist nicht bei Trost !" — „Ich verschenke meinen Gaul nicht !" — so hört man die Stimmen durcheinander schreien ; aber von einem Preis spricht niemand. Derjenige, der einen solchen nennen will, greift immer nur in des anderen Ärmel so und so viel Finger. Der Zeigefinger allein bedeutet eins, Zeige- und Mittelfinger zusammen heißt zwei und so weiter bis fünf. Sechs ist Daumen und kleiner Finger, sieben : Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger. Um die Acht auszudrücken, spreizt man Daumen und Zeigefinger auseinander. Bei neun streckt man dem anderen den Zeigefinger hin und krümmt ihn dabei hakenförmig. Von zehn an wiederholt sich das Verfahren, denn jeder ist so geschäftskundig, daß er weiß, ob ein Gegenstand 1, 10 oder 100 Tael wert ist. Sechzehn zum Beispiel wird ausgedrückt, indem erst der Zeigefinger und hierauf Daumen und kleiner Finger zusammen gepackt werden. Mancher kleine, leicht aufdringlich werdende Überläufer sucht sich gerne während dieser Prozedur bessere Jagdgründe; denn welcher Chinese des Inlandes hätte keine Läuse im Rockärmel?

Es sollte nun im Winter, solange es am kältesten und das Eis am dicksten ist, an den „blauen See", den „Kuku nor"1), gehen, um diesen genau zu erforschen, vor allem auszuloten. Der See liegt schon außerhalb der Gebiete, in denen man noch zur Not mit Chinesisch auskommt ; er liegt über dem anbaufähigen Land und bereits in den wilden tibetischen Steppen. Ich brauchte also hiezu geeignete, womöglich Tibetisch sprechende Begleiter. Da ich zunächst nicht Behr weit ins tibetische Hochland hinein wollte, so gingen auch meine bisherigen Diener noch mit. Zum Glück hatte ich rasch die nötigen Leute gefunden, die mir noch fehlten.

Schon am Tage nach meiner Ankunft in Hsi ning fu war durch einen schmalen Spalt in der Tür, demütig lächelnd und zweideutig grinsend, mit vielen Komplimenten der sogenannte „lange Tschang" in mein Zimmer gekommen. „Da Tschang" oder der „lange Tschang" hieß dieser Mann auf unserer Hoang ho-Expedition. Er war ein intelligenter Chinese von damals 28 Jahren und trug seinen Namen, weil er 1,80 m groß war. Er war der Sohn eines kleinen Offiziers an der tibetischen Grenze, der all sein Geld verjubelt und verspielt hatte. Tschang konnte ziemlich gut lesen und schreiben und er besaß Mut, dies wußte ich sicher, auch aus eigener Erfahrung. Er war äußerst verschlagen und listig und von einer erstaunlichen Redegewandtheit. Er verstand es in hervorragender Weise, seine Nebenmenschen am Narrenseil herumzuführen, und wenn er wollte, wußte er namentlich stets diejenigen Worte zu sagen, die der andere gerne hörte. Er war ein echtes Kind seiner Rasse und seines wilden, rauhen Heimatlandes. Er war ein fauler Lump, doch auch ein interessanter Charakter. Obwohl ich

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1) Der „blaue See" von Nordosttibet ist heute durch die russischen Reisenden allgemein unter seinem mongolischen Namen Kuku nor bekannt. Kuku, oder geschrieben Küke, heißt blau. Die Chinesen nennen den See „Hsi hai" oder Westmeer oder auch Tschting hai = blaues Meer. Die Tibeter nennen ihn Tsto sngon bo oder abgeschliffen Tsto ngombo, was gleichfalls „blauer See" bedeutet.

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