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『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

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0046 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 46 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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aus dem Volk, die mühsam zu Fuß an einem hohen geschnitzten Pilgerstab daherhumpelt. Sie alle müssen hinauf auf den Gipfel, es gilt die Seligkeit. Der große Geist, der da droben thront, ist berühmt dafür, daß er den Frauen, die sich ihre zusammengedrückten Zehen und Fußknochen blutig scheuern

reichen Kindersegen beschert.

Wofür sonst lebt auch der Chinese? Spricht er über anderes mehr als über seine Familie? Es gilt die gewaltige Fortpflanzung, das einzig Große und Bewundernswerte am ganzen Chinesentum. „Wenn auch ihr Fremden es heute nicht anerkennen wollt, daß das Reich der Mitte wirklich da liegt, wo sein Name sagt, es wird sicher die Zeit kommen, wo alle Erdenbewohner ihren Stammbaum von China ableiten," so meinte zu mir einst ein gebildeter Chinese, der ein gutes Stück seines Landes und der Welt gesehen hatte.

Vom frühesten Morgen an drängen sich deshalb Pilger in schier endloser Reihe zu dem heiligen Ort, von dessen Besuch sie Kindersegen erhoffen. Viele tragen an langen Bambusstangen bunte Bänder, rote Fahnen mit blauen Drachen darauf, dazwischen marschieren Hornbläser, Gongschläger, Männer, die sich an schweren Eisenketten oder an einem Drachenmodell aus Papier und Holz abschleppen, in dessen vergoldetem Kopf dünne Weihrauchkerzchen brennen. Und alle haben ein großes Bündel Weihrauchkerzen an einer roten Schnur über den Rücken gehängt, eingewickelt in ein Stück roten glänzenden Baumwollstoffs, auf dem groß und schwungvoll die drei Zeichen : „Wu dang schan" geschrieben stehen.

Viele Stadtleute sind auch unter der Pilgerschar. Man erkennt sie von weitem, denn sorgfältig schützen sie sich gegen die Sonnenstrahlen mit einem riesigen Papierschirm, der schon in weitem Umkreis einen penetranten 01geruch verbreitet. In blauen Baumwollkleidern kommen die meisten, in Tuchschuhen, in Strohsandalen die Unbemittelten; in Seide mit gestickten Samtschuhen, frisch rasiert und frisiert, mit feinster seidener Zopfschnur, all ihren zimperlichen Kram, Handtuch, Wasserpfeife, Uhr, Brille, Feuerstein, EBstäbchen usw. sichtbar um den Leib gehängt, die Reichen ; nach feinstem Moschus duftend der Dandy. Es folgen sich Dutzende von Sänften. Vor den zahllosen Wirtshäusern, wo Tee-, Nudel- und Reisspezialisten ihre Waren verkaufen, stampfen mit ihren „dreizölligen GoldlotusfüBchen" 1) Trägerinnen zierlicher Puppengesichtchen gar ärgerlich und kreischen ungeduldig ihre Sänftenkuli an : „Vorwärts ! Vorwärts ! Ein Jahr lang rastet ihr schon hier, eßt euer Opium heute abend. Ich habe Eile, auf den Berg zu kommen."

Auf der Mehrzahl aller Gesichter leuchtet stets ein kindlich vergnügter Ausdruck. Tausendmal durfte auch ich den freundlichst fragenden Gruß erwidern : „Hast du gegessen?"

Endlich kam ich müde und matt gegen Abend im Tempel Tse hsiao gung an. 80 Li sollen es an diesem Tage gewesen sein. t7ber Hunderte von unbequem

1) Der in China sprichwörtlich gewordene Ausdruck: „dreizölliges Goldlotusfül3chen" (kin lien) soll von Pan, einer berühmt schönen Konkubine des Kaisers Hsiao pao kwan (499-501), herstammen. Pan soll nach der Ansicht vieler Chinesen (es ist aber nicht sicher erwiesen) die erste Frau gewesen sein, die sich die Füße gebunden habe. Und als sie einst vor dem Kaiser auf einem mit goldenen Lotosblättern eingelegten Boden tanzte, war der so entzückt davon, daß er immer wieder ausrief: „Seht, jedes ihrer Füßchen kann nur eines der drei Zoll langen Lotosblätter decken!"

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