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『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

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0042 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 42 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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mit dem nach alter Sitte auf dem Scheitel hochgesteckten Haarknoten. S1Q schleppten Dutzende von wattierten Decken herbei; jeder wollte sich dadurch so nahe wie möglich an mich und meine merkwürdigen Sachen herandrängen und Gelegenheit bekommen, die „verrückten Krickel" der europäischen Schrift sich anzusehen. Selbst der liebenswürdige Herr Abt scheute nicht die Mühe, zündete eigenhändig eine der so schwer anbrennenden, dicken, chinesischen Wachskerzen mit dem hölzernen Docht an, ließ kunstvoll ein wenig Wachs an der Wand abtropfen und klebte so nach gut chinesischem Brauch die Beleuchtung des alten kaiserlichen Wohngemachs an der Mauertünche fest.

Das Kloster Tschu fu ngan ist der räumlichen Ausdehnung nach noch heute eine imposante Tempelanlage. Man hat sich hier noch breit ausdehnen können. Es liegt am Fuße des Berges; bis dahin führt der Weg von der Stadt Kün tschou her in einem nahezu 1 km breiten und noch so gut wie ebenen Tale. Wiederum treffen wir hier auf vier hintereinanderliegende Höfe, wiederum prangen die Mauern in dickem, rotem Baumwollstuck; wie überhaupt das Kloster eine Wiederholung des Kaiserpalastes von Kün tschou darstellt, nur eben in kleinerem Maßstabe. Trotzdem an diesem Orte die Hälfte sämtlicher Priester des ganzen heiligen Berges vereinigt war und noch immer ausgedehnter Landbesitz reiche Pachtsummen einbrachte, konnte man auch hier kaum irgendwo bemerken, daß in den 500 Jahren, seitdem alle die Tore, Treppen und Hallen auf den Wink eines Chinesenkaisers entstanden waren, je einmal wieder eine Reparatur für nötig befunden worden wäre. Wo nicht die Tritte der frommen Pilgerscharen hingelangen, wuchern überall in üppigstem Wachstum Sträucher und Gräser aus den Steinfugen. Wenige Bronzegeräte lassen die wirkliche Pracht der einstigen Blütezeit erraten. Nur was in Kriegszeiten den Rebellenführern zu schwer oder des Mitnehmens nicht wert war, scheint heute noch vorhanden zu sein, darunter eine eineinhalb Meter hohe, mit Drachen geschmückte Bronzeurne, die auf dem Vorplatz des hintersten Quergebäudes aufgestellt ist.

Von Tschu fu ngan ah findet man in der Richtung nach dem Wu dang schan alle paar hundert Meter an Kreuzwegen und Windungen des Fußpfades ein kleines Steintempelchen, in jedem eine kleine Statuette eines Ling kwan, eines Schutzgottes und Führers, und davor eine Opferschale, einen alten Scherben zum Sammeln der Gaben. Es sollen an die tausend solcher Tempelchen sein. Oft steht daneben ein Priester, der, wenn fromme Wanderer nahen, auf eine eiserne Glocke schlägt. Bei jedem werfen die Pilger im Aufstieg einen Kupfercash ein und machen eine tiefe Reverenz. Andere und zwar große Tempel stehen auch noch weiter oben am Wege. Von diesen sind aber viele heute unbenutzt, die vielteiligen Holztüren an ihrer Front hängen nur noch lose oder halb in den alten Steinangeln, das Dach ist verfallen und die im Innern thronenden Götzen vergehen langsam zu Staub und Erde, ohne daB sich ein Mensch darum

kümmert.

An mehr denn einem halben Dutzend großer Tempelanlagen kam ich an meinem zweiten Pilgertage vorbei. Auf einem kleinen Pfad, oft auf steilen, unbequemen und ermüdenden Steintreppen ging es jetzt einem der schmalen Seitengrate des Berges entlang aufwärts. Links und rechts fallen die Hänge zu engen, in hohes Gebüsch gehüllten Schluchten ab, in denen sich kaum zugänglich wilde Bäche hinwinden (Tafel V). Man hatte sich beim Wegbau immer dem Gelände anpassen müssen. Die Gebäude sind hier oben enger zusammen-

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