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『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

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0047 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 47 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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hohen Steinstufen ging es zuletzt noch sehr steil hinauf. Aussätzige Bettler wollten hier helfen und mich schieben. Von diesen gehetzt kam ich ganz atemlos oben an. Durch eine tausendköpfige Menge wurde ich aber gleich zum Vorsteher und zu dem hier stationierten Leutnant hineingestoßen. In drangvoll fürchterlicher Enge saß ich zunächst dort über drei Viertelstunden lang und tauschte mit jenen Herren Liebenswürdigkeiten aus.

„Älterer Bruder," fragte mich der sicher siebzigjährige Abt, „wie groß ist dein hohes Alter?"

„Ich habe unnütz ,fünfzig` ( !) Jahre verstreichen lassen," log ich bescheiden drauflos.

„Was ist deine hohe Abstammung?"

„Meine durch Armut heruntergekommene Familie trägt den Namen Ta." „Wie viele ehrenvolle Söhne hast du?"

„Zwölf (!) unnütze Bengel belästigen mich."

„Großer Mann, du bist ein tugendreicher Herr!"

„Aus dem ganzen erlauchten Reich pilgern die Menschen zu eurem kostbaren Berge," erlaubte ich mir einzuwerfen.

„Es ist heute niemand hier," entgegnete der Abt.

Endlich erlöste mich die Nachricht, daß ein Zimmer sich für mich gefunden habe. Jetzt erst durfte ich, so durstig ich auch auf dem langen Marsche geworden war, nach der vor mir stehenden Teetasse greifen. Es ist nämlich in China strenge Sitte, daß man bei Visiten erst im Augenblick des Aufbrechens von dem stets gleich nach der Ankunft vorgesetzten Tee etwas schlürft.

Am Ende der hohen Treppe ist im Tse hsiao gung, mit der Front gegen Süden, der Haupttempel. Weitläufige Höfe gibt es hier nicht mehr. In dieser Höhe lassen die steilen Hänge dafür keinen Platz übrig. Uralte, bis zu 1 m dicke und noch rund gelassene Stämme tragen auch hier das mächtige Dach des Tempels. Unter diesem versammelten sich nach Einbruch der Dunkelheit die Pilgerscharen. Viele knieten am Boden mit zusammengelegten Händen. Wenige Wachskerzen nur verbreiteten einen schwachen Lichtschein in dem stark duftenden, von Weihrauch erfüllten Raume. In der Mitte vor dem Altar aber stand eine Gruppe von Bauern und Priestern, dort züngelte eine mächtige Flamme vom Boden viele Meter hoch bis an die pechschwarze Decke hinauf. Im Takte kleiner Metallglocken, mit endlosem skandierendem Gesang verbrannten sie langsam lange, lange gelbe Papier- und Tuchstreifen, bedeckt mit Schriftzeichen, mit den Namen von allen, die hier Weihrauch selbst angezündet haben, und auch von denen, die sich dabei von ihren Verwandten

oder Freunden haben vertreten lassen. Gespensterhaft schauen hinter zahllosen roten seidenen Vorhängen die starren Züge riesenhafter bärtiger Götter-

figuren herab. Vor den allergrößten Göttern sitzen kleinere, gleichfalls in bunte

Mäntel gehüllt. Ein breiter Altar mit schönen Bronzegefäßen, mit Vasen und Leuchtern trennt dieses Pantheon von der Pilgerschar. Eine Menge Weiber

drängt sich in einer Ecke an zwei Kupferbecken und reibt daran Cashstücke, die die göttliche Schutzkraft des Beckens ihren Kindern nach Hause mitbringen sollen. Endloses Krachen von Feuerwerkskörpern, mißtönende Gongschläge, dumpfe Laute alter eiserner Glocken und Trommelklang schallen aus dem Tempel zu den stillen, schroffen Felswänden hinaus.

Als endlich die Tausende von Namen verbrannt waren, als die letzten

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