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『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

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0161 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 161 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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kräfte bewirkt, zu fehlen. Es bedarf jedesmal der Hilfe eines Vertreters der Regierung oder, wenn es gilt, größere Arbeiten zu unternehmen, Schleusen und Kanäle zu bauen, eines großen Kapitalisten. Dieser bezahlt dann Löhne und Kost und erhält später von den Kleinbauern in einer Art Zehnten seine Ausgaben mit hohen Zinsen ersetzt.

Drei Tage folgte ich dem Hoang ho auf dem rechten Ufer abwärts. Der Fluß strömt hier geschlossen und rasch dahin ; sein Tal ist mehrere Kilometer breit, steigt aber nach beiden Talseiten zunächst flach zu den zuletzt steil sich erhebenden Felsbergen an. Wo die Kanäle in Ordnung waren, fand ich überall eine dichte Bevölkerung, bestehend meist aus Chinesen der sogenannten Dakiao, d. h. der „großen Gesellschaft", worunter man die eigentlichen Chinesen im Gegensatz zu den Mohammedanern versteht, die, wie scb an erwähnt, Mitglieder der „kleinen Gesellschaft" genannt werden. Die Bewohner der Oasen benahmen sich auffallend fremdenfeindlich. Spöttisch und hochmütig wurde ich behandelt, Melonenschalen und, als es kälter wurde, gefrorene Pferdeäpfel flogen mir erstaunlich viele nach. Über die Europäer und besonders die Missionare — etwas anderes Europäisches kannte man hier kaum — waren die kindischsten Ausstreuungen verbreitet. Einen der Schreier hörte ich predigen: „Das ist sicher auch ein Katholik, denn er hat keine Frau bei sich. Die wollen immer nur die großen Herren spielen, sind aber so faul, daß sie nicht einmal heiraten und eine Familie gründen."

Die Aufnahme einer genauen Routenkarte ist in diesen Oasen eine schwierige Aufgabe. Wohl wurde die öffentliche Straße hochtönend „kaiserlich" genannt. Aber wohl gerade deshalb treibt darauf ein jeder, was ihm gut dünkt. Hier wird zu Irrigationszwecken Wasser darüber geleitet und die Straße zum Kanal gemacht; dort wirft einer alle Steine darauf, die er in seinen Feldern aufgelesen hat. Wenn ein Chinese einen Baum fällt, so wird er es sicher genau so einrichten, daß der Baum auf den Weg fällt, unbekümmert darum, daß er damit jeglichen Verkehr hemmt. Er denkt lediglich daran, daß der Baum von dort leichter abzuführen ist als vom Feld aus. Um jedes Äckerchen muß sich die kaiserliche Landstraße herumdrücken. Mit Mauern, Gräben und Dornenhecken sucht jeder Grundbesitzer soviel wie möglich noch von der Straße zu seinem Grundstück zu schlagen. Es kommt j a so genau nicht darauf an. Freilich, wenn es einer allzu ungeschickt treibt, wenn auf der Straße allzu schlecht fortzukommen ist, dann wird sich auch nie ein chinesischer Reisender scheuen, über die Felder zu gehen. Der Chinese ist und bleibt in erster Linie Egoist. Wohl steckt in dem chinesischen Bauernvolk sehr viel Demokratisches, wie j a zum Beispiel auch seit alters die Würde des Dorfhäuptlings (tschuan tou oder im Westen hump`ai) in den einzelnen Familien reihum und nach einem halben oder ganzen Jahr durch Wahl an eine andere übergeht. Auch um seinen Kaiser kümmerte man sich, j e weiter er weg war, desto weniger. Es fehlt aber gleichzeitig der weit überwiegenden Mehrzahl jeglicher Gemeinsinn. Der schwere Kampf ums Dasein scheint alle zu klein denkenden Egoisten gemacht zu haben.

Am 9. Oktober erreichte ich Kin (spr.: Tschin) tse pu, ebenfalls eine Oase, die erst durch künstliche Bewässerung entstanden und auf drei Seiten von Wüsten und dürren Steppen umgeben ist. Dicht unterhalb einer kurzen Felsenge, in welcher der Hoang ho auf kaum 200 m eingeengt dahinströmt, haben die Chinesen einen Wasserarm von etwa 22 cbm (22 000 Sekundenliter) ab-

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