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0378 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 378 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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uns die Geschichte des Sees; es ist der Si ni teso eine alte Flußschlinge des Huyuyung tschü. Der Fluß mündet von Westen in den südlichen der beiden Seearme und verließ früher den nördlichen in nordwestlicher Richtung. Dieser Abfluß ist heute aber trocken und von Sanden bedeckt. Ich habe die großen Quellen im Tale von Kabatalen im Verdacht, mit dem Si ni tseo in Verbindung zu stehen. Sie liegen tiefer als das Seeniveau und das Wasser des Sees kann ohne Mühe unter den obersten und verhärteten Sand- und Kiesmassen der „Tala" dorthin weiterfließen. Aus diesem Grunde wird auch der See bis jetzt noch nicht eine Spur salzig geworden sein 1).

Der Si ni tseo ist nicht der einzige See, der einer alten Schlinge des Huyuyung tschü seine Entstehung verdankt. Eine gute Tagereise weiter westlich liegt noch ein anderer abfluBloser Süßwassersee, der Gungga nor, den Grenard auf seiner eiligen Flucht nach Dutreuil du Rhins Ermordung entdeckt hat. Auch der Gungga nor ist süß. Ich habe ihn 1904 mit Filchner zusammen und noch einmal allein im Winter 1907 besucht. Er ist wesentlich kleiner als der Si ni tse o und scheint unter den Sandmassen hindurch mit dem heutigen Lauf des Huyuyung tschü verbunden zu sein.

Wir schlugen am Si ni tse o auf einem sandigen Vorsprung, 50 m über dem See, das Lager auf; der Platz war sehr günstig für eine Verteidigung. Quer über den See hinüber sahen wir in einer Entfernung von 2 km auf einer kleinen Halbinsel ein großes weißes Zelt, sonst war nirgends weit und breit eine menschliche Spur zu entdecken. Das große Zelt übte von Anfang an eine magische Anziehungskraft auf uns aus. Wäre es von unserem Lagerplatz nicht so umständlich zu erreichen gewesen, wir hätten ihm sicherlich noch am Abend einen Besuch gemacht und nachgesehen, was es bedeutete. Selbst mit dem Glase konnten wir keinen einzigen Bewohner erblicken, auch keine Tiere grasten in der Nähe. Das Zelt schien vergessen am Ufer, nur dumpfe, mystische Schläge einer Baßtrommel zeugten von Leben darin; sie mischten sich bis in die späte Nacht hinein in das Rauschen der Wellen, die unter unserem Lagerplatz an das Ufer schlugen. Erst als nach Mitternacht ein heftiges Gewitter aus Westen heraufzog, als Blitze über dem See zuckten und der Donner rollte und krachte, verstummten die rhythmischen Töne, wie eben Menschengeräusche vor elementaren Gewalten erliegen.

Als ich in dieser Nacht auf meiner Kiste in meinem Zelt an den Tagebüchern und Kartenaufnahmen schrieb, stand unvermutet der große Tschang vor mir, räusperte sich, um bemerkt zu werden, und begann in schmeichelndem Tone: „Herr, sie wollen alle wieder in ihre Heimat zurückkehren. Wir alle fürchten uns. Heute morgen hast du einen Kranich geschossen. Wer einen Kranich tötet, dem zürnen die Gespenster, der wird mit Unglück gestraft und muß in den nächsten drei Monaten dem Kranich in den Tod folgen. Schon hat dich das Glück verlassen. Bald werden noch viel mehr Tiere verloren gehen. Wir haben zweimal mit unseren Würfeln das Schicksal befragt und jedesmal ergab sich : wir alle müssen umkommen, wenn wir weiterreisen. Ich bitte dich in aller Namen, entbinde uns von dem Kontrakt, und wenn ich dir raten darf, so geh' du selber für das nächste Vierteljahr ins Kloster, um dich von der Sünde zu reinigen und von dem Banne zu befreien. Oder du mußt sterben!"

1) Der Si ni ts`o wird im „Meng gu yu mu dyi" mehrfach erwähnt, er fehlte aber in unseren Karten bisher ganz.

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