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0013 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 13 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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o.

keine geringe Schwierigkeit geraten. Wehe mir, wenn der Orakelspruch dieses Mannes schlecht ausfiel ! Wie sollte ich dann meine Leute dazu bringen, mit mir weiterzugehen?

Wie an einem Rechenschieber begann der Alte die Perlen seines Rosenkranzes

bald nach links, bald nach rechts zu schieben. Der Kasus schien schwierig. Schon hatte ich in europäischer Ungeduld Tschang zweimal schwer durch die Frage mißstimmt, wieviel ich wohl für einen günstig lautenden Orakelspruch zu zahlen habe, da endlich murmelte der Greis sein Urteil und fuhr in eintönig-

stem Tone wieder fort, sein „Om mani padme hung" zu beten. Der Schicksalsspruch lautete, wir sollten alle die Heimat wiedersehen, würden aber viele Bären antreffen und viele Räuber und anderes schlimmes Gesindel. Wie froh war ich doch ob dieser einfältigen Lösung ! Unser Prophet war ein Lhasa-Priester, der seit Jahrzehnten bei den Mongolen lebte. So ärmlich es in dem Felsspalt auf den ersten Blick aussah, wer weiß, was alles der Mann aus Furcht vor den ngGolokh vergraben hatte. Er war der Besitzer von etlichen Dutzend Rindern und ein Bursche führte ihm die Wirtschaft.

Ich war den Abend zu Dyoba Dyentsen ins Zelt geladen. In einer Seitenschlucht des Türketse-Tales lagen zwei Yurten. Die eine gehörte Dyoba Dyentsen, die er mit seiner Familie, seiner Mutter und jüngeren Schwester bewohnte, die andere war die seiner älteren Schwester und ihres Mannes. Freundlich uns zunickend eilte Mutter Dyentsen mir entgegen, faßte gewandt mein Pferd am Zügel und half mir aus dem Sattel, als wäre ich ein gichtbrüchiger Greis, koppelte dann das Tier an drei Beinen und trieb es auf die Weide, während die anderen Frauen die bissigen, sich wie rasend gebärdenden Köter zurückhielten. Ich wurde von Dyoba Dyentsen aufgefordert, durch die niedere zweiflüglige Holztüre ins Innere der Yurte zu schlüpfen. Auch bei den einfachen Mongolen in der Steppe macht man immer viele Höflichkeitsumstände, läßt sich immer wieder bitten, näher zu treten, wobei die Hände mit der Fläche nach oben horizontal vorgestreckt werden 1).

Es sah sehr nett aus bei Dyentsens. Dem Eingang gegenüber standen wie in allen Yurten auf einer Kiste ein paar Aschenbechern ähnliche Messingschalen, die geweihtes Wasser und Gerste enthielten. Dahinter lagen, mit großer Sorgfalt und Liebe in Seide gewickelt, Gebetsfolianten, jeder Band zwischen zwei Brettchen gepreßt. Ganz im Hintergrund thronte ein kleiner Bronzebuddha, in Khádartücher gehüllt. Wie beim chinesischen Haus, so finden sich auch in der Mongolenyurte eine zweiflüglige Tür und ihr gerade gegenüber der Hausaltar. Der Ehrenplatz neben diesem wurde mir angeboten. Der Landessitte gemäß saßen wir auf der Seite links vom Eingang , schön geordnet nach Bedeutung der Person, rechts von mir Tschang, weiter unten Han, während unseren Wirten die ganze Seite rechts von der Tür verblieb. Stundenlang hieß es wieder, mit untergeschlagenen Beinen auf einem dünnen Filzkissen um das Feuer zu hocken.

Wie in den meisten Mongolenyurten führten auch bei Dyentsens die jungen Frauen das Regiment. Ich wurde sehr gelobt, daß ich in ihr Zelt nicht in meinem „häßlichen" europäischen Anzug gekommen sei, in dem sie mich vorher gesehen

1) Wenn ein geachteter Gast sich verabschiedet, so müssen stets alle Familienmitglieder zuerst hinauseilen, damit der Gast als letzter die Yurte verläßt.

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