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Meine Tibetreise : vol.2 |
oder Lawrang, das Gomba des Mongolenfürsten Hoang ho nan tschün wang, das
Haupt von Amdo, den erfolgreichsten Rivalen von Gum bum, aufgesucht. Man
rechnet dorthin nur vier „ts`an lu" (Reisetage) von Batser (Tao tschou) aus;
der Weg geht in nordwestlicher Richtung und wieder durch Tibeterland, durch
das „A m d o", d. h. das „Unterland" Tibets, das ein mäßig hohes Bergland
mit breiten Tälern vorstellt, das ausgedehntesten Gerstenbau zuläßt und im
Durchschnitt Talsohlen von 2900-2700 m Höhe aufweist.
Noch zu Ende September war es in und um Tao tschou recht regnerisch.
Die Niederschläge hielten sich freilich in bescheidenen Grenzen, meist blieb
aber der Himmel bedeckt. Aus dem letzten Grunde wohl waren die Nacht-
temperaturen noch nicht tief und schwankten trotz der 2760 m Meereshöhe
zwischen + 2 ° und + 6 °, während sich am Mittag die Luft verschiedentlich
auf über ± 10 ° erwärmte. In der Regel war es am Boden beinahe ganz windstill.
Die Regenwolken kamen bald aus Südosten, bald aus Westen. Am 16. Sep-
tember hatten wir in der Frühe Schnee bei leichtem Ostwind und westlicher
Wolkentrift, und nur am 19., 20. und 21. habe ich Gewitter in meinem meteoro-
logischen Tagebuch vermerkt. Alle drei Gewitter kamen von Westen her. Auch
der 24. September, als ich Tao tschou und seinen gastfreundlichen Amerikanern
Valet sagte, war ein Regentag, so daß die Tiere auf dem schlüpfrigen Lehmboden
bei jedem Schritt ausglitten und die Packtiere kaum von der Stelle kamen.
Mr. Ruhl begleitete mich auf den ersten zwei Märschen. Ich mußte mich also
zuerst nur von Mrs. Ruhl, meiner überaus liebenswürdigen und hübschen Gast-
geberin, mit ihrem kleinen Baby verabschieden. Machte auch das Missionshaus
in Tao tschou einen sehr guten und sauberen Eindruck — überall war die
ordnende Hand der praktischen Amerikanerin zu fühlen — so muß für eine
Frau unserer abendländischen Kultur der Aufenthalt in der Stadt eine Tortur
sein. Jahraus, jahrein ist hier nur von Raub und Krieg zu hören, und die
Missionsarbeit an sich zeitigt höchstens unter den Chinesen und den verwitweten
oder verlassenen alten Chinesinnen einige Früchte. Wegen der Allmacht der
Lama ist natürlich an einen greifbaren Missionserfolg unter Tibetern und
Mongolen nicht zu denken. Dazu kämpft der Europäer noch gegen das rauhe
Höhenklima und gegen die heimatwehe Weltabgeschiedenheit — im Sommer 1907
wurde zwar ein Kaiserlich chinesisches Postamt eingerichtet, es hatte aber aus
Mangel an sonstigem Interesse nur Missionarsbriefe zu befördern — jeden
zehnten Tag kam ein Bote, der die Post, die sechs Wochen von Hsi ngan fu
unterwegs war, ablieferte. Wie in Hsi ning fu wird die Bevölkerung sehr viel
von Diphtherie, Scharlach und Pocken heimgesucht. Selbstverständlich hält
auch Typhus und Lues große Ernten und unter den Lungenaffektionen des
Platzes spielt Asthma eine wichtige Rolle. Von den Missionaren erkrankte ein
erheblicher Prozentsatz an Pocken. Mr. Simpson war dort oben in Ausübung
seines Berufes pockennarbig geworden. Ein Missionar, der eben von der Küste
heraufgekommen, wo er neu geimpft worden war, starb kurz vor meiner An-
kunft an Variola.
Beim Verlassen von Tao tschou mußte ich auch meinen treuen Hunden
lebewohl sagen; kaum ein Abschied von einem meiner Gehilfen ging mir so
nahe. Der rabenschwarze „Neh` ere" und die alte magere „Tschimo" mit ihrem
dürftigen Haarkleid, ihren klugen, braunen Äuglein und ihren abgebissenen
Zahnstummeln im lächelnden Maul wollten es gar nicht begreifen, daß sie im
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