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0387 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 387 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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oder Lawrang, das Gomba des Mongolenfürsten Hoang ho nan tschün wang, das

Haupt von Amdo, den erfolgreichsten Rivalen von Gum bum, aufgesucht. Man

rechnet dorthin nur vier „ts`an lu" (Reisetage) von Batser (Tao tschou) aus;

der Weg geht in nordwestlicher Richtung und wieder durch Tibeterland, durch

das „A m d o", d. h. das „Unterland" Tibets, das ein mäßig hohes Bergland

mit breiten Tälern vorstellt, das ausgedehntesten Gerstenbau zuläßt und im

Durchschnitt Talsohlen von 2900-2700 m Höhe aufweist.

Noch zu Ende September war es in und um Tao tschou recht regnerisch.

Die Niederschläge hielten sich freilich in bescheidenen Grenzen, meist blieb

aber der Himmel bedeckt. Aus dem letzten Grunde wohl waren die Nacht-

temperaturen noch nicht tief und schwankten trotz der 2760 m Meereshöhe

zwischen + 2 ° und + 6 °, während sich am Mittag die Luft verschiedentlich

auf über ± 10 ° erwärmte. In der Regel war es am Boden beinahe ganz windstill.

Die Regenwolken kamen bald aus Südosten, bald aus Westen. Am 16. Sep-

tember hatten wir in der Frühe Schnee bei leichtem Ostwind und westlicher

Wolkentrift, und nur am 19., 20. und 21. habe ich Gewitter in meinem meteoro-

logischen Tagebuch vermerkt. Alle drei Gewitter kamen von Westen her. Auch

der 24. September, als ich Tao tschou und seinen gastfreundlichen Amerikanern

Valet sagte, war ein Regentag, so daß die Tiere auf dem schlüpfrigen Lehmboden

bei jedem Schritt ausglitten und die Packtiere kaum von der Stelle kamen.

Mr. Ruhl begleitete mich auf den ersten zwei Märschen. Ich mußte mich also

zuerst nur von Mrs. Ruhl, meiner überaus liebenswürdigen und hübschen Gast-

geberin, mit ihrem kleinen Baby verabschieden. Machte auch das Missionshaus

in Tao tschou einen sehr guten und sauberen Eindruck — überall war die

ordnende Hand der praktischen Amerikanerin zu fühlen — so muß für eine

Frau unserer abendländischen Kultur der Aufenthalt in der Stadt eine Tortur

sein. Jahraus, jahrein ist hier nur von Raub und Krieg zu hören, und die

Missionsarbeit an sich zeitigt höchstens unter den Chinesen und den verwitweten

oder verlassenen alten Chinesinnen einige Früchte. Wegen der Allmacht der

Lama ist natürlich an einen greifbaren Missionserfolg unter Tibetern und

Mongolen nicht zu denken. Dazu kämpft der Europäer noch gegen das rauhe

Höhenklima und gegen die heimatwehe Weltabgeschiedenheit — im Sommer 1907

wurde zwar ein Kaiserlich chinesisches Postamt eingerichtet, es hatte aber aus

Mangel an sonstigem Interesse nur Missionarsbriefe zu befördern — jeden

zehnten Tag kam ein Bote, der die Post, die sechs Wochen von Hsi ngan fu

unterwegs war, ablieferte. Wie in Hsi ning fu wird die Bevölkerung sehr viel

von Diphtherie, Scharlach und Pocken heimgesucht. Selbstverständlich hält

auch Typhus und Lues große Ernten und unter den Lungenaffektionen des

Platzes spielt Asthma eine wichtige Rolle. Von den Missionaren erkrankte ein

erheblicher Prozentsatz an Pocken. Mr. Simpson war dort oben in Ausübung

seines Berufes pockennarbig geworden. Ein Missionar, der eben von der Küste

heraufgekommen, wo er neu geimpft worden war, starb kurz vor meiner An-

kunft an Variola.

Beim Verlassen von Tao tschou mußte ich auch meinen treuen Hunden

lebewohl sagen; kaum ein Abschied von einem meiner Gehilfen ging mir so

nahe. Der rabenschwarze „Neh` ere" und die alte magere „Tschimo" mit ihrem

dürftigen Haarkleid, ihren klugen, braunen Äuglein und ihren abgebissenen

Zahnstummeln im lächelnden Maul wollten es gar nicht begreifen, daß sie im

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