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0109 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 109 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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tributionen leisten, und wenn die den Lama begleitenden „Fan tse" unverschämt würden, sollten sie nicht sofort Gleiches mit Gleichem vergelten.

Das Leben in der Stadt Dankar war gegen früher sehr verändert. Es war nun die Zeit, in der die Nomaden ihren Jahresvorrat an Getreide einzuhandeln pflegen. Dazu hatten sich auf die Nachricht von der Ankunft des Dalai Lama Hunderte und Tausende von Pilgern eingefunden, die ihm hach Gum bum nachzogen. Täglich kamen die kopfreichsten Yak- und Kamelkarawanen in die Vorstädte und verließen wieder, so rasch sie nur konnten, den großen Marktort. Einmal marschierten sechzig Kamele lhasawärts, die Geschenke trugen, welche der Hohepriester in der Mongolei bekommen hatte. Silber, Gewehre und Patronen bildeten die Hauptmasse. Lustig flatterte auf dem Rücken der Tiere eine gelbe Flagge mit den chinesischen Zeichen Hsi tien (westlicher Himmel), sollte heißen: Zentraltibet, und damit ging alles zollfrei über die Grenze. Der hohe Herr schien seine Zeit ausgenützt zu haben.

Der Dalai Lama wohnte zwar in dem Kloster Gum bum, ein großer Teil seines Gefolges hielt sich jedoch in der Stadt Dankar auf, wo die Lhasa-Regierung schon sowieso immer Kommissionäre wohnen hat. Ob diese mehr kommerzielle oder mehr politische Interessen zu vertreten haben, ist allerdings schwer zu sagen.

Ein jüngerer Bruder des Dalai Lama starb während dieser Tage in Dankar. Sein Leichnam wurde in einer öden Bergschlucht im Norden der Stadt mit größtem Luxus wie der eines echten Prinzen verbrannt. Er war in hockender Stellung verschnürt und so in einen großen runden Scheiterhaufen gestellt worden. Viel Weihrauch, Butter und Honig und alle Arten Zerealien wurden mitverbrannt. Die Asche wurde gesammelt, verpackt und nach Lhasa gesandt.

In dem Gewimmel von Menschen und von Typen aus dem ganzen zentralen Asien stand ich plötzlich, fast erschrocken, vor einem Europäer, einem Engländer; man sah die Abstammung von weitem schon an dem hohen und stolzen Wuchs, und keinen Augenblick zweifelte ich, daß hier allein eine englische Anrede passen würde. Ich hatte den unglücklichen jungen Leutnant Brooke vor mir, der eben eine große Karawane ausrüstete und der nach Zentraltibet ziehen wollte, um den Lauf des Brahmaputra zu erforschen. E r, der Eng 1 ä n d e r, hatteEmpfehlungen seiner Regierungunddamiteinenoffiziellen Dolmetscher aus dem Amban-Ya men zugewiesen erhalten, der bereits bei ihm in Dankar eingetroffen war 1).

Nur wenige Tage hielt es mich in Dankar. Nachdem die nötigen Kleider gekauft waren, eilte ich nach Hsi ning fu hinab. Wie ich staubbedeckt von dem langen Ritt im Löß in die Wohnstube von Rev. F. Ridley trete, finde ich den Vater um sein sechsjähriges Söhnchen sorgend. Dieses war plötzlich krank geworden — an einem Sonnenstich, dachten die Eltern. Doch ein Exanthem auf dem Körper ließ bei mir keinen Zweifel aufkommen. Der Knabe hatte Scharlach,

1) Ohne auf besondere Schwierigkeiten zu stoßen, kam Leutnant Brooke über Ts`aidam und die Tschang tang. Aber am Dang la-(Tang la)-Gebirge wurde er von den Tibetern freundlich zwar, doch energisch zurückgewiesen und mußte von dort wieder an seinen Ausgangspunkt zurückkehren. In den folgenden Jahren versuchte er, sein Ziel von der Provinz Se tschuan aus zu erreichen, doch auch hier umsonst. Nach vielen Kreuz- und Querzügen an der Grenze von Tibet wurde er in dem wenig bekannten Lolo-Lande, das er zum Schlusse erforschen wollte, vom Mißgeschick ereilt, er wurde von den Eingeborenen überfallen und verlor nicht bloß seine Karawane, sondern auch sein Leben. Ein hoffnungsvoller Forscher fiel der Habsucht jener Barbaren zum Opfer.

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