National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0051 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 51 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000264
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

 

Ein kleiner Tagesmarsch von der Furt westwärts brachte uns mit mäh-

lichem Anstieg wieder ins echte Hochtibet. Dort stellten sich auch die OrongoAntilopen wieder ein. Je weiter nach Westen, desto niederer hoben sich die Berge mit ihren ständig nahezu vertikal gelagerten Sandsteinschichten aus einer breiter und breiter werdenden Talwüste heraus. Eine ganze Reihe von Höhenzügen, die bei der Tschü mar-Furt durch tiefe Täler zerlegt sind und sich am Flusse hoch vor mir auftürmten, verschwinden im Westen unter dem Niveau dieser Hochtalebene. Aus dem tiefen Wannental des Yang tse kiang, der da, wo ich ihn fand, daran arbeitet, die typische U-Talform der früheren Gletscherzeit umzugestalten, war ich in wenigen Tagen auf die nach Westen hin immer mehr sich erbreiternde Hochfläche von Nordtibet hinaufgestiegen.

Ich reiste dem südlichen Rande dieses Tales entlang weiter. Dort, am Nord-

fuße wirr zerfurchter, zunächst nur noch 400 m höher aufsteigender Berge gab es noch die meisten zusammenhängenden Grasflächen. Die Mitte des Hochtales war vegetationsarm und nur die niedersten Polsterpflanzen bedeckten dort den Boden. Etwas nördlich von der Mitte schlängelte sich in einem flachen Bett der Fluß, den ich in der großen Furt überschritten hatte. Hinter dem Flusse sah ich Sanddünen, die weiter hinten, gegen den Nordrand des Tales, immer gewaltigere Gestalt annahmen. Die natürliche Begrenzung war wieder von flach ansteigenden Sandsteinbergen gebildet, die sich aus der Ferne wie eine geschlossene Masse ausnahmen und trotz der tibetischen Klarheit der Luft nur mit Hilfe eines guten Glases auf diese Entfernung einzelne Talrinnen erkennen ließen. Ganz am nördlichen Horizont endlich schimmerten mächtige

Schneedome. Zuerst ließen diese nicht ahnen, daß sie nur die allerhöchsten Punkte eines unabsehbar weit nach Nordwesten sich hinziehenden Gebirgsgrates waren. Den ersten Gipfel, der uns in der strahlenden Sonne zitternd und nur unscharf zu Gesicht kam, hielt jeder von uns für eine kleine Haufenwolke.

Ich mußte damals erst einige Tage weiter nach Westen reisen, bis ich ahnte,

was ich vor mir hatte und wie die für mich weit zu übersehende Landschaft sich mit dem spärlichen Kartenbild in Einklang bringen ließ. Ich hatte — ohne es damals zu wissen — das östliche Ende des wohl mehr denn 1000 km langen Hochtales erklommen, dem Hedin im Sommer des Jahres 1896 über einen

Monat entlang gezogen war, wobei ihm seine Karawane von 56 Tieren bis auf

kaum mehr als ein Dutzend zusammenschmolz. Durch dieses Tal waren im Herbst 1896 auch die beiden englischen Offiziere Wellby und Malcolm, von Ladak im äußersten Westen Tibets kommend, mit den allerletzten Resten ihrer zuerst so schönen Karawane marschiert. „Was für Erfahrungen werde ich nun weiterhin machen?" schrieb ich damals am 10. September in meinem Lager 88 in mein Tagebuch. Für mich malte sich die Zukunft in ganz rosigen Farben. Wohl hatte ich dieses schreckliche Hochland, die Tschang tang, erst auf weiten Umwegen erreicht, aber meine Karawanentiere, von denen j a in erster Linie das Studium der Probleme jener trostlosen und in ihrer Großzügigkeit so wunderschönen Gegenden abhängt, waren trotzdem in der denkbar bepten Verfassung. Seit ich Ts`aidam verlassen hatte, waren mir nur drei Yakrinder verloren gegangen. Eines war, wie ich schon berichtete, von einem wilden Yakbullen getötet worden, zwei andere waren den unsäglich löcherigen NakaFeldern zum Opfer gefallen. Die übrigen Tiere marschierten noch frisch und flott vorwärts. Ich hatte höchstens zehn matte Yak, für diese gab es aber

3 II.

33