National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0127 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 127 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000264
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

 

eisigen Westwind. Er fror so, daß er lange kein verständiges Wort herausbrachte. Er war jedoch kein Verrückter, wie alle zuerst annahmen. Er stellte sich vielmehr als Lama vor aus einem Kloster bei Kue de, der, mit zwei Dienern von Ts`aidam kommend, nach Hause strebte. Sie waren am Abend zuvor überfallen, die beiden Diener, die sich zur Wehr setzen wollten, totgeschlagen worden, und der Lama hatte nur das nackte Leben retten können. Als wir ihm auf seine Bitten ein Fell und etwas Kleider umgeworfen und am Wegrand etwas Tee gekocht hatten, trabte er weiter auf der Straße nach Tschabtscha. Meine Mannschaft machte faule Witze über die tanzenden Sprünge des Tibeters. Ich aber befahl, eiligst von der gefährlichen Verkehrsader abzubiegen, und suchte näher am Huyu yung-Fluß, wo niedere Hügel und Dünen unsere Karawane vor Späheraugen verbargen, vorwärtszukommen.

An diesem Abend zeigten alle meine Leute großen Eifer beim Scheibenschießen. Die Resultate waren freilich mehr als kläglich und viel schlechter als das Jahr vorher. Der Chinese „Li yen nien" aus Dankar und der Mohammedaner „Sechsunddreißig Ma" — der Mann hieß mit dem Vornamen Sechsunddreißig, weil er geboren wurde, als sein Vater 36 Jahre alt war — waren zum Schießen viel zu zappelig, um je etwas zu versprechen. Unter uns acht Mann waren überhaupt nur drei Schützen, mich selbst dabei mitgerechnet, die zuvor schon mit Gewehren umzugehen verstanden. Herzhafte Jungen waren „So lu ma tse" und „Hai fa tschung", beide Mohammedaner. So's Gesicht war voll tiefer Pockennarben , weshalb ihm seine liebenswürdige Mitwelt nach chinesischer Sitte den schmückenden Beinamen „ma tse", der Pockennarbige, gegeben hatte. Er war der einzige, der nicht ein Wort Tibetisch konnte. Ich hatte ihn aber mitgenommen, weil er stämmig war und im Hufeisenaufnageln sich sehr geschickt anstellte. Hai, klein, zierlich und mit einem schönen Zopf begabt, war der arabischen Schrift kundig und der Sohn eines Ah`un. Seine Familie war durch die letzte Rebellion ruiniert worden. Als kleiner Junge hatte er den Auszug der Kinder Mohammeds nach Ts`aidam, an den Lob nor und bis Ili mitgemacht und zuletzt war er auf dieser Irrfahrt Pferdebursche in den Zelten der H`asak gewesen. Tschang yin lu tse, ein Halbbluttibeter aus Schara khoto, wie auch der schon aufgeführte Li und „Sechsunddreißig" machten sehr bald hinter der Grenze kein Hehl daraus, daß sie bodenlose Angst hatten und vor jedem herrisch um sich blickenden Fan tse zitterten. Der Dolmetscher Tschang endlich, faul und dick, rotbackig und dabei auffallend großköpfig, war eine gewöhnliche chinesische Mischung von Geriebenheit und Jungenhaftigkeit. Ich hielt nie viel von ihm, zumal seine Kenntnisse der tibetischen Sprache noch sehr bescheidene waren, aber seine Stellung brachte es mit sich, daß ich auf sein „Gesicht" achten mußte. Er wurde immer mit „Herr" angeredet und ihm ein Diener zugeteilt; er ritt meinen besten Ambler und bekam 10 Tael im Monat — so viel, wie er noch nie zuvor verdient hatte — neben seiner freien Kost.

Mit diesen Leuten und meiner kostbaren Karawane war ich nun wieder im Bereich der Tschebts`a fan tse. Wir bekamen von diesen aber nur in weiter Ferne einige schwarze Zelte, schwarze Punkte, zu Gesicht. Die Winterlager dieses Stammes liegen in den Schluchten des Süd-Kuku nor-Gebirges. An dessen Südabhang sind sie und ihre Herden allein vor den Stürmen geschützt. Als wir um halb acht Uhr morgens den Huyu yung tschü verließen, hatte es

101

4