National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF Graphics   Japanese English
0069 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 69 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000264
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

 

io .

Abb. 4.

Meine Erinnerung an den Rückzug.

satt geworden. Nicht einer meiner Begleiter hatte zuvor Kalbfleisch gekostet.

Es war ein vorzügliches Fleisch, aber der Sünde wegen wollten sie nur ungern

zugeben, wie gut es ihnen schmeckte.

Das Tal, das wir hinabzogen, war so öde und wüst, wie ich noch nie zuvor

eines gefunden hatte. Immer wieder mußte ich mich wundern, wie die tibeti-

schen Karawanen hier für ihre nach Tausenden zählenden Yakrinder genügend

Futter zu finden vermögen. Man meint, am Wege jedes Grashälmchen zählen

zu können, so spärlich ist die Vegetation. Schwarz sahen die scharfkantigen

Sandstein- und Schieferplatten in ihrer ewig gleichen, vertikalen Schichtung

aus den Hängen heraus. Schutthalden wie in unseren Alpen waren kaum zu

entdecken. Die atmosphärischen Niederschläge sind so gering, daß sie die

Trümmer, in die das anstehende Felsgestein durch    

das tägliche Gefrieren und Wiederauftauen des in

den Klüften und Haarspalten enthaltenen Wassers

zersprengt wird, kaum von der Stelle zu bringen

vermögen. Meist zerfällt das Gestein an Ort und

Stelle zu einem feinen Grus und Schlamm, aus dem /

widerstandsfähigere Schichten oft in papierdünnen

Blättern und Scherben, die mit dem Fels noch fest

verbunden sind, herausragen.

In dem ersten Lager in diesem Tal drückte uns am

Morgen ein Fuß tiefer Schnee. Lauter harte, runde

Knöllchen, Hagelkörnern gleich, waren in der Nacht

auf uns niedergeprasselt. Als ich vorsichtig unter

meinem Filz vorlugte, lagen dieYakochsen bewegungs-

los, wie große Steingötzen neben mir. Schon wollte

ich sie für tot halten, da vernahm ich endlich doch

noch ein Knarfeln und Knirschen ihrer Zähne. Zum

Wiederkäuen hatten sie nichts mehr in ihrem Magen.

Um halb sieben Uhr in der Frühe klärte es sich Die Bundschuhe, die „Luo tse", die

wir uns nach dem Überfall angefertigt

etwas auf, baldaber kamen neue Wolken. Wir hatten, um leichter marschieren zu

können, waren nur zu bald durchgetreten.

„machten Toilette" und hockten dann stumm um

das Feuer, welches das Teewasser in drei Viertelstunden kaum zum Sieden brachte.

Ein eisiger West erkältete uns bis aufs Mark, er erhielt diesmal den Schnee, der

sonst unter dem Einfluß der Sonne immer so rasch verdunstet. Dann stapften

wir weiter das Tal hinab. Die „luo tse", die Bundschuhe, die wir im Unglückslager

genäht hatten, waren an den Fersen und am Ballen durchgescheuert (s. Abb. 4).

Die meisten Leute klagten über FuBsohlenbeschwerden. Auch die Yak humpelten

mehr, als daß sie gingen. Ihre Hufe waren stark abgelaufen. Drei waren lahm

und fast alle waren gedrückt. Früher hatte ich stets solche Wunden mit Kalium

permanganicum behandelt, was rasche Heilungen zur Folge hatte, jetzt mußte

ich machtlos zusehen, wie die Wunden größer und größer wurden.

28. September. Wir folgen weiter dem Tal abwärts. Es ist ungemein dürr

und trocken. Auch der Bach ist versiegt. Schon beginnt der wüstenhafte

Charakter der zentralasiatischen Kamelsteppen. Oasenartig heben sich die

als Lagerplätze der Karawanen benützten Grasterrassen ab.

Wir schossen heute einen einsamen Wildyakbullen, ein uraltes, zähes Vieh.

Der Körper war noch nicht erkaltet, da schnitten wir uns schon Fleischstücke

47