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0330 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 330 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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meine Nase und meine Kniescheibe hätten am liebsten alle der Reihe nach betastet. In ganz Osttibet herrscht die Ansicht, daß letztere bei den Europäern fehlt. Das allermeiste Interesse bot aber wiederum mein Zeißglas. Alle rissen sich darum und jubelnde Schmeichellaute ertönten, wenn sie damit ganz in der Ferne eine Antilope, ein Wiesel entdeckt hatten. Sie brachten auch Kranke, Lungenleidende und unter anderem eineû Mann aus Wuta, dem in dem Erlenbusch, von wo wir zuerst das Dorf erblickt hatten, ein Paar Strauchritter seine Habe weggenommen und ihm obendrein die Achillessehne durchschnitten

hatten.   .

Sogar in diesem kleinen Nest traf ich einen mohammedanischen Kaufmann, der gegen Vorschuß Häute und Wolle aufkaufte. Er nahm mich wie ein europäischer Missionar vom hintersten China bei sich auf, froh, wieder einmal einen gebildeten Menschen zu sehen. Er schächtete gleich einen Hammel mir zu Ehren und lud mich auf den Abend in sein Zelt ein, wo ihm eine tibetische Jungfrau wirtschaftete.

Mir fiel auch hier oben in Ober-Zangskar die geringe Zahl Kleinvieh auf, die gehalten wurde. Auch ohne Seuche — sagte mein Gastfreund — haben sie in ganz Zangskar sehr wenig Schafe, und Ziegen fehlen ganz. Der hohe Winteroder vielmehr Frühjahrsschnee wurde mir als Grund angegeben. Dieser hat zugleich im Gefolge, daß sich gerade in dieser Gegend, wo der Einfluß des Monsuns die schönsten Weiden zeitigt, die Besiedlung nur sehr gering ist. Die Einwohner träumen immer von den schönen Prärien im Norden und am Kuku nor, weil dort viel weniger Schnee fällt und Kleinvieh besser und müheloser durchkommt. Soweit das Gebiet Ngaba nicht Felder besitzt, gilt auch dies als überaus arm. Auch dort ist die wahre Ursache, daß die Tibeter keine rationelle Weidenwirtschaft verstehen, daß sie nur für ihre wenigen Lieblingspferde im Spätherbst, wenn das Gras schon dürr ist, mit ihren kurzen Sicheln einige Bund Gras einheimsen und nie in unserem Sinne Heu machen. Tritt im Frühjahr ein stärkerer Schneefall ein und bleibt der Schnee für vierzehn Tage liegen, so gehen ihre Schafe zuerst zugrunde.

18. Juli. Ein echter Tibetregen fällt mit Graupeln und nassen Schneeflocken, und so bleibe ich gerne noch einen Tag hier liegen. Ich hatte große Lust heute, meinen Reiseplan über Sung pan ting und Tao tschou aufzugeben und dafür bolzengerade nach Norden zu reiten. In östlicher Richtung auf Sung pan

zu soll ich nach hiesigen Angaben erst in drei Tagen am ersten Haus eines Dorfes ankommen und von dort an noch weitere zwei Tage bis zur Stadt Sung pan

rechnen müssen. Nordwärts dagegen soll ich von Ober-Zangskar aus schon

nach fünf Tagen das Kloster von Tangsker und den Hoang ho und von dort in weiteren fünf Märschen die Stadt Tao tschou erreichen. Zwischen Zangskar und

Tangsker soll ich nur das Gebiet von Tschirchama zu queren haben, das in der

Einflußzone von Sung pan ting liegt und vom rechten Ufer des Hoang ho noch etwas auf das linke übergreift. Betrachte ich meine Karten, so werde ich freilich

diesen Berichten gegenüber äußerst skeptisch. Eben erst habe ich Somo ver-

lassen. In fünf kurzen Tagen soll ich genau im Norden den Hoang ho finden, der erst weit, weit im Nordwesten irgendwo eingezeichnet ist? Es zuckt mir in

allen Gliedern, diesem Rätsel nachzuspüren. Doch der Teehändler machte meinem Schwanken rasch ein Ende. Unmöglich sei's, mit meinen drei Leuten durch die Räuberbanden im Norden zu kommen. Auch der Weg über Merge

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