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0274 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 274 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Anstrengung die Lider nicht mehr aufbrachte. Ich lag im dunklen Zelte und strampelte wie ein Kind mit den Füßen, wenn die Entzündung der Bindehaut mir allzu heftige Schmerzen bereitete. Ein kleiner schwarzer Bär der Gattung Ursus tibetanus, den ich seit vier Wochen besaß, der im Lager frei umherlief und bei Nacht unter meine Bettdecke zu kriechen suchte, war mein Pfleger und Zeitvertreiber. Er brummte und zankte, wenn ich allzu unruhig auf meinem Schmerzenslager wurde, und kratzte und biß mich in aller Freundschaft in die Knöchel, wenn ich ihn beim Strampeln etwas unsanft und ungnädig berührte. Er biß aber immer rührend vorsichtig und wollte mir nicht weh tun, wie ein Hund, der mit seinem Herrn spielt. Anderthalb Tage lang mußte ich in dem Lager warten. Dann endlich war die Anschwellung so weit gewichen, daß ich mit Zuhilfenahme der Hände die Augenlider etwas auseinander brachte und in meiner Apotheke das notwendige Arzneimittel erkennen konnte.

Der Weitermarsch am 10. Juni, immer am gleichen Bache abwärts und durch dichten Wald, brachte uns zu dem Orte Mao niu gu oder Tibetisch Brismed (2800 m). Das Dorf ist von Tibetern und Chinesen bewohnt und weist eine ziemliche Anzahl alter Befestigungstürme auf. Von links und rechts mündet hier ein größerer Wildbach in unser Tal ein und gemeinsam waren nun die Wasser so tief, daß man sie nirgends mehr durchreiten konnte. Der Wald stand schön, hoch und dicht. Nur an einzelnen Stellen, wo winterliche Waldbrände entstanden waren, war er etwas gelichtet. Alte Fichten sind hier selten, Birken, Pappeln, Eichen, Ahorn überwiegen. Syringenbäume standen in voller Blüte. Viele Erdbeeren und Erdbeerblüten riefen mir die deutschen Wälder ins Gedächtnis. Außer Füchsen und dann und wann einer Affenbande, die mit viel Spektakel von Ast zu Ast fliichtete, bekamen wir nichts Jagdbares zu Gesicht.

Die Hsi ning-Pferde, an die schmalen und schlüpfrigen Wege nicht gewöhnt, fielen uns mehrfach über die Böschung hinunter und hielten uns auch an den zahllosen schwankenden Brücken immer lange auf. An jeder Brücke mußten die Lasten abgeladen und von uns Menschen einzeln hinübergetragen werden; die Tiere aber wurden an Kopf und Schwanz gehalten und erreichten halb gehoben, halb geschoben das andere Ufer. Zum Glück fühlte sich kein Pferd so wohl dabei, daß es Lust hatte, übermütige Sprünge zu machen. Einige Brücken mit einer Länge von dreißig Schritt hatten bloß eine einzige Planke und diese lag nur mit einer Handbreite auf den Auslegern, die sich über das Flußufer hinausstreckten. Die Planken wippten und bogen sich unter jedem Tritt, daß die Pferde sich allein kaum auf den Füßen halten konnten. In 4 m Abstand darunter raste, brauste, schäumte der Kataraktstrom. Meiner alten Hündin Tschimo wurde dabei schwindlig und immer erst, wenn alle vorbei waren, kroch sie behutsam auf dem Bauche über die Planke hinüber.

Die Besiedlung in dem engen Waldtal begann erst von 2400 m Höhe an etwas dichter zu werden; lange blieb es bei vereinzelten Höfen und kleinen Hausgruppen, die, soweit sie sich im engen Grunde des Tales befinden, von chinesischen Kolonisten bewohnt sind. Diese sitzen in ärmlichen Strohhütten. Die Tibeter aber bewohnen Steinhäuser auf steilen Rodungen an den Berghängen. Sie sind hier noch die begüterteren Grundbesitzer geblieben. Aber wie lange wohl noch? Die Tibeter pflanzen wenig Mais und viel Gerste und Weizen. Die Chinesen im Talgrund pflanzen fast nur Mais an und sind Händler.

Wir bezogen jeden Nachmittag gegen zwei Uhr ein Lager auf irgend einer

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