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0264 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 264 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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staunt, wie die sonst so leicht erregbaren Tibeter sich hier zu ducken gelernt haben.

Die Regierung des Ming tscheng Tu se hat für vollkommen unentgeltlichen Transport aller im Lande reisenden chinesischen Beamten zu sorgen. Seine Tu be fu haben die Pflicht, jedem Inhaber eines Berechtigungsscheins für Ula Pferde und Menschen zu stellen, und besorgen die mehr oder minder gerechte Verteilung dieser Last unter die Untertanen. In Friedenszeiten ist die Ula schon eine unbeliebte Sache, denn so gut wie täglich reist irgend ein Beamter, Kurier oder Soldat nach dem ausgedehnten Hinterland, so daß jeder Bauer drei- bis viermal im Monat mit mehreren Tieren eine zwei- bis dreitägige Reise zu leisten hat. In Kriegszeiten — und Kriegszeiten haben im Jahre 1905 begonnen und mit nur kurzen Unterbrechungen seither angedauert — wird Mensch und Vieh dadurch derart angestrengt, daß kaum Zeit bleibt, die Felder zu bestellen und das Milchvieh zu pflegen, und viele Tiere gehen dann zugrunde, ohne daß ihre Besitzer irgend einen Anspruch auf Ersatz haben 1). Bei den Kriegszügen gegen das Hinterland sind nicht nur die chinesischen Offiziere während ihres Durchmarsches durch das Land beritten zu machen, die Tibeter haben für das Heer auch den gesamten Train zu stellen, Munition, Bagagen und Lebensmittel zu befördern und den vielen Wünschen mehr oder minder liebenswürdiger Heerführer in bezug auf Straßenbau und Schutzhüttenanlagen kostenlos nachzukommen.

Die gewaltige Bedeutung von Ta tsien lu liegt darin, daß auf hundert, ja tausend Kilometer kein anderer Zugang die gleichen günstigen Verhältnisse für die Ersteigung der tibetischen Hochländer aufweist. Gerade an der tibetischen Grenze türmen sich die größten Hindernisse auf. Gerade hier strecken die Berge ihre Häupter noch höher in die Wolken hinein als sonst. Aber man kann bei Ta tsien lu vermöge der passenden Lage einiger tief eingesägter Durchbruchstäler ohne viele Umwege vorwärtskommen und trifft hier immer wieder auf anbaufähiges Land. Von Ya tschou fu in Se tschuan sind über Ta tsien lu seit Jahrhunderten Truppen bis hinter Lhasa gesandt worden, ohne daß diese wirkliches Nomadenland, wie z. B. im Norden, berühren mußten. Die altmodischen chinesischen Heere mit ihrer stets schlecht organisierten Verpflegung konnten hier, gestützt auf die Ansässigen, vorwärtsmarschieren.

Ta tsien lu mußte eben zur Zeit meines Besuches wieder die Basis für einen neuen Krieg abgeben, den die alte Mandschu-Dynastie unternahm, um die in den vorausgegangenen Jahren beinahe verlorene Herrschaft über Hintertibet und Lhasa zu befestigen.

Vordertibet, d. h. wenigstens die Straße bis zur großen Etappenstation Lhari hinauf war bei meiner Ankunft in Ta tsien lu wieder ganz in den Händen

der Chinesen, wie wenigstens der „Tsien tsang leang tai" von Lhari, der Intendant 2) von Lb arigo, der eben auf seinen Posten reiste, mir mit Bestimmtheit versicherte. Dieser war eben neu ernannt worden und war in den Zimmern des

  1. Durch den immerwährenden Krieg, den China führt, ist z. B. der Maultierbestand des Klosters Dordyi dschak, der 1907 noch 80 Stück betrug, in der Zwischenzeit vollkommen zusammengeschmolzen.

  2. Intendanten (leang tai) oder eine Art Konsuln fanden sich in Li tang, Ba tang, Tsiamdo, Lharigo, Lhasa und Schigatse. Sie verrechneten die geringen Steuereinnahmen und die Ausgaben für Gendarmerie und die Geschenke an die Klöster.

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