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0266 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 266 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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I~

Allein Ta tsien lu ist nicht bloß für kriegerische Eroberungszüge die Aus-

fallspforte und der Schlüssel zu Tibet. Es ist nicht nur die Basis für die chinesische

Politik in Lhasa. Dartsendo, das chinesische Ta tsien lu, ist der größte Markt-

ort von ganz Tibet überhaupt. Ich habe auf meinem Wege von Dscherku ndo

Tausende und aber Tausende von Tieren begegnet, die alle mit Teeballen

Soldaten hielten bei dem mörderischen oder zum mindesten für sie ungewohnten Klima und bei der unregelmäßigen Verproviantierung nur widerwillig stand. Tschao hielt seine Armee bloß durch ein Schreckensregiment zusammen. Er lieB Hunderten von Deserteuren den Kopf abhacken.

Monate hindurch mußten Mineure die Feste berennen, gegen die die Mönche Konterminen vortrieben. Schließlich gelang es aber, die Wasserzufuhr der Belagerten unsicher zu machen, und eines Nachts wurde ein Bote durch die Chinesen abgefangen, der Hilfe von einem anderen Kloster erbitten sollte. Tschao schickte nach einigen Tagen eine Antwort ins Kloster und ließ den Belagerten sagen, daß in einer bestimmten Nacht ein tibetischer Hilfstrupp am Klostertor erscheine, die Mönche sollten sie durchs Tor schlüpfen lassen. In jener Nacht aber schickte Tschao seine auserlesensten Soldaten in tibetischer Verkleidung zum Tor, und da die Nacht mondlos war, so konnten hinter den Verkleideten die übrigen Soldaten folgen. Arglos öffneten die Mönche ihr verrammeltes Tor und nachdem erst eine Pforte im Besitz der Chinesen war, war bald auch das ganze Kloster überwältigt. Wem es nicht gelang, im Dunkel der Nacht in die Berge zu entweichen, der wurde umgebracht. In der Verwirrung wurden auch alle verkleideten Chinesen erschlagen. Kein Gefangener wurde geschont. „Wie Kieselsteine am Baches-rand" lagen nach dem Bericht eines Augenzeugen die Rebellenköpfe auf dem Boden. Fünfhundert cätties abgeschnittener Ohren, und zwar von einem Kopf immer nur ein Ohr, wurden 1906 als Trophäe von Ba tang nach Tscheng tu fu geschickt.

Die Macht der kriegslustigen Gelugba-Brüderschaft war damit in den chinesisch-tibetischen Grenzmarken gebrochen. 75 Prozent der männlichen Bevölkerung sollen nach amtlichen Berichten getötet worden sein. Tatsächlich wird auch mindestens ein Viertel der ganzen männlichen Bevölkerung umgekommen sein. Die Mehrzahl der Überlebenden rettete sich in die Berge und auf Lhasa-Gebiet.

Die Zentralregierung ging jetzt daran, das Gebiet von Ba tang und Li tang zu chinesifizieren. Man brachte Kolonisten aus dem übervölkerten Unterland, eröffnete Schulen und Rasthäuser und ließ im Tal von Ba tang neue Reisfeldkanäle graben. Das chinesische Heer aber, als es nach Ba tang zurückgekehrt war, litt weiter durch Massendesertionen. Eine Bande von mehreren hundert Mann ermordete Anfang 1907 ihren eigenen Offizier, um an die Munitionsvorräte heranzukommen, und wurde in der Folge ein Schrecken für die Umgegend. Die Gerüchte über diese neue Schwierigkeit der chinesischen Regierung, natürlich aufgebauscht und verdreht, schwirrten auf der großen Teestraße hin und her, als ich zwischen Ka ts`a und Gantse reiste.

Im Jahre 1909 waren die Chinesen durch Tschao ör fongs Energie vollkommen Herr der Situation von Ta tsien lu über Li tang— Ba tang und Tsiamdo, Lhari bis hinauf nach Lhasa und Schigatse geworden. Vergeblich versuchte Tobden Dalai Lama, als er von Peking und Gum bum im Jahre 1909 nach dem Potala zurückgekommen war, die Zügel der Regierung zu erhaschen. Als seine Intrigen gegen die chinesischen Machthaber aufgedeckt wurden, sah er wie früher sein Heil nur in einer eiligen Flucht. Er ritt diesmal Hals über Kopf nach Indien. Seine liebenswürdige Aufnahme durch England ist bekannt. Er durfte dort, damit ihm die Zeit nicht zu lange werde, verschiedene Reisen unternehmen und hatte Gelegenheit, sich einen weiteren Gesichtskreis zu holen. In Peking aber scheint man sich eine Zeitlang mit der Frage beschäftigt zu haben, ob der Dalai Lama wie ein Fürst oder Hohepriester abgesetzt werden könnte; in den Augen der Tibeter freilich eine müßige Frage !

China unterhielt in dieser Zeit 3500 tibetische und 1200 chinesische Söldner in Lhasa, Traschilhumpo, Ting re und eine wenig größere Macht in Tsiamdo, Dschraya, Ba tang und Li tang. Tschao ör fong suchte auch in Dschraya (chines.: Da yüe) seine Landsleute anzusiedeln und Reisfelder anzulegen. Allein alle diese Kolonisationsversuche hatten gleich von Anfang an wenig Erfolg. Obwohl die Kolonisten freie

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