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0342 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 342 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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eine Viertelstunde lang vorwärts, ohne stehen zu bleiben. Nach dieser kurzen Zeitspanne aber fruchtete nichts mehr ; die Tiere zogen die Hälse lang, schoben den Schwanz zwischen die Beine, standen starr und angewurzelt und waren so müde, als wollten sie umfallen. Um zwei Uhr war die Willenskraft auch bei meinem Brdyal zu Ende. Er krümelte sich mit einem Male völlig apathisch auf dem Straßenboden zusammen. Mühsam und schluchzend stieß das Häufchen Unglück noch hervor, er könne sich nicht weiterschleppen, er wolle schlafen, nur schlafen. Nur mit unendlicher Mühe und nach einigen kräftigen Püffen gelang es mir, die drei Pfleglinge abermals vorwärts zu bringen ; hier stillzuliegen war natürlich ganz unmöglich. Wer bürgte mir denn, daß man uns nicht schlafend fand? An jeder Wegebiegung aber hoffte ich lange vergeblich auf Wald, in dem wir uns verkriechen könnten.

Endlich um vier Uhr in der Frühe senkte sich der Weg etwas und wir erreichten die Waldzone. Ich ließ nicht locker und brachte die Pferde noch ein paar hundert Schritte in ein Waldstück hinein, legte noch einen Strick um ihre Fesseln, den ich mir um die Füße wickelte — meinem totmüden Brdyal waren längst die Augen zugefallen — und legte mich unter den nächstbesten Rhododendronbusch. Eine halbe Stunde vorher hatte ein kalter Rieselregen eingesetzt, der das Moospolster des Waldes nicht molliger machte, doch wer schert sich in einem ähnlichen Falle um solch eine Kleinigkeit !

Wie ich wieder erwachte, war's heller Tag. Ich hörte Stimmen und Pferdegetrappel, das auf der Straße verklang, konnte jedoch niemand erkennen, da aus allen Tälern dicke Wolkenmassen heraufquollen und auch wir zeitweise in dichtesten Nebel gehüllt waren. Nachdem ich meinen Diener geweckt hatte, führten wir weiter. In den nächsten Stunden senkte sich der Weg stärker. Ein steinereicher Zickzack nahm uns auf, und unten angekommen, hatten wir nur mehr wenige Kilometer zu tibetischen Bauernhäusern und zu einer Mühle, deren Insassen Chinesisch verstanden und die mir die freudige Eröffnung machten, daß wir in Mao niu gu angekommen waren, an demselben Platz, an dem ich im Oktober 1904 auf dem Rückzug von Ngaba herausgekommen war. Während wir unser letztes Merge-Brot verspeisten und uns Tee kochten, forschte ich vorsichtig bei einem gesprächigen Alten nach den fremdenfeindlichen Umtrieben von Sung pan ting. Ganz grundlos war das Gerede der Kretschiu doch nicht gewesen. Einen Monat früher vielleicht waren mehrere katholische Chinesen totgeschlagen worden und der Or fu von Sung pan hatte eine Proklamation anschlagen lassen, die auch bei meinem jetzigen Gewährsmann die Vorstellung erweckt hatte, als ob alle Fremden außerhalb der Gesetze ständen und kein Recht mehr hätten, in die Stadt zu kommen.

Mao niu gu liegt 3100 m hoch; um nach Sung pan ting zu gelangen, klettert man unmittelbar hinter der Mühle noch einmal auf einen Berg von 3550 m Höhe und hat von dort zum Ufer des Min-Flusses noch einen jähen Abstieg zu überwinden. Ich traf gegen Mittag in der Stadt Sung pan ting ein.

Am nächsten Mittag schon kam ich durch Vermittlung des Polizeihauptmanns der Stadt mit den Sekretären der beiden großen Ya men überein, daß ich ein Mitglied der mohammedanischen Kaufmannschaft sowie zehn Fußmilizen des Generals unter dem Kommando eines Offizieranwärters, sowie vier Reiter des Or fu-Ya men gestellt bekomme, um mit ihnen nach Merge zurückzukehren und auf die Herausgabe meiner Sachen zu drängen. Dafür sollte ich nach der

 

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