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0172 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 172 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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,4.

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ein Starenkästchen an steiler Felsrippe hängt, staut sich jeden Winter das Treibeis des Dre tschü und verbindet als Eisbrücke die beiden Ufer. Als ich noch oben im Lab gomba-Gebiet war, hieß es, diese Eisbrücke sei bereits geborsten und abgetrieben. Aber sie hielt felsenfest, als ich am 23. Februar hin-überritt. Die Bewohner des Dorfes gehören einem anderen Hoschunat an als Lamda und machten mir keinerlei Schwierigkeiten. Sie erheben von allen, die ihre Naturbrücke begehen, einen kleinen Wegezoll und zeigen dafür die tragfähigsten Eisblöcke. Auch hatten sie mit großen runden Kieseln, die wie Kettenglieder aneinandergelegt waren, den Übergang gezeichnet. Jeder Kieselstein trug, aus rot bemaltem Grunde herausgekratzt, einen Buchstaben, so daß die Kieselsteine Worte bildeten und sich zu frommen Gebetssprüchen zusammenfügten, die die Ufer verbanden und die Brücke für die gläubigen Bewohner sicherten. Zwei solcher Spruchbänder liefen über den ganzen Fluß. Hügel von Steinplatten, die alle von Gebetreliefs und Buddhareliefs bedeckt waren, Tschorten, Reisigbüsche, an denen Schafwollefetzen flatterten, und andere Symbole mehr säumten das Ufer ein. Es ist in tibetischen Augen ein sehr heiliger Platz, weil die Ortsgeister jedes Jahr hier die Brücke entstehen lassen. Die Führer wie auch wir sangen die Anrufungen der Götter und aller Heiligen herunter, solange wir über das Eis gingen!

Die Übersetzstelle lag 3650 m ü, d. M. und das Eis des Stromes war 150 m breit. Weit hinauf an den steilen Talwänden zogen sich Buschwaldungen. Fichtengruppen und uralte Rhododendren brachten ein fahles Grün zwischen die dunkeln Felsabbrüche. An jeder Talecke entzückte mein Auge ein neues Wunderbild , grüßten neue Schneegipfel zum klaren , grünblauen Yang tse herab. Im Tale unten kann sich nur selten der Schnee halten. Was nicht auf eine ganz besonders geborgene Halde gefallen ist, lecken die Sonnenstrahlen sofort wieder rein (Tafel XXI).

11 km unterhalb meines Flußüberganges verließen wir wieder das Yang tseTal, um in scharfem Winkel nach Südwesten abzubiegen. Mehr und mehr hatte sich zuletzt das Tal wieder verengt, waren die himmelhohen Berge zusammengerückt und unweit von dem Punkt, wo ich das Tal verließ, schienen

die Felsen endgültig über dem Strom zusammenzuschlagen und ihn zu verschlingen. Nur ein ganz schmaler Pfad war, wo wir gingen, der steilen Berg-

lehne abgerungen worden. Nicht 50 m breit floß dicht unter mir so klar, daß

ich jeden Stein auf dem Grund erkennen konnte, als herrlichstes Türkisband der Yang tse. Die Tiefe des Wassers wollte ich ungern größer als 3 m schätzen.

Der Grund wie der Ufersaum waren felsig. Deutliche Marken zeigten, daß zur

warmen Jahreszeit das Wasser einen 4 bis 5 m höheren Stand hat, daß der Strom dann schon hier über doppelt so groß sein muß. Hier in dieser Schlucht war es,

wo der berühmte Afrika- und Asienforscher Dutreuil de Rhins sein Leben lassen

mußte. Schwer verwundet, angeblich bewußtlos, wurde er von den Bewohnern von Tombu mda in das Wasser geworfen. Aufgerüttelt durch die Kälte sei

er wieder zu sich gekommen — so erzählen sie noch — habe zu schwimmen begonnen und hätte vielleicht das jenseitige Ufer erreicht; aber sie warfen Steine nach ihm und steinigten ihn vollends zu Tode. Eine der schönsten und kühnsten Tibetexpeditionen hatte damit ein vorzeitiges Ende erfahren.

Von diesem traurigen Platz reitet man eine gute Stunde in einem hübschen, lieblich und friedlich anmutenden Seitentale bis zum Dorfe Tombu mda. Mit

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