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0232 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 232 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Einige Teile des Horba-Distrikts standen zur Zeit meiner Reise aber nicht mehr unter ihren angestammten Herrschern. Im Jahre 1883 waren die fünf großen Tu se wegen einer Heirat miteinander uneins geworden und hatten den Chinesen Gelegenheit geboten, sich in ihre Verhältnisse zu mischen und in der Folge bei ihnen einzunisten. Lu Tsung ye erzählte während unseres gemeinsamen Rittes und noch im Herrenhaus zu Puilung, wo wir zusammen ein Frühstück einnahmen, von vielen, vielen Kämpfen, die er im Lauf seiner sechzig Jahre mitangesehen. Er war immer Offizier in Tibet gewesen und war ein guter Erzähler. Er fragte sogleich nach Mr. Rockhill, der der einzige Europäer war, der je Gantse betreten hatte. Er wollte von mir wissen, ob Mr. Rockhill tatsächlich damals chinesischer Major gewesen sei, wie er ihm erzählt habe. Lu freute sich sichtlich über die Nachricht, daß sein Gast, um den er einst so große Sorge hatte, mittlerweile Minister geworden.

Den Krieg von 1883 nannte er einen der wichtigsten und erfolgreichsten für die Chinesen und war voll Lobes für den damaligen Führer der Chinesen, den er Tschang tsching nannte. Dieser Dao tai Tschang tsching soll zum ersten Male das ganze Hor- und Tschantui- und Dergi- Gebiet für China erobert haben. Nach des Leutnants Ansicht war der Krieg wegen der Anmaßung der Glaubensbrüder vom Gelugba-Orden entstanden. Ihretwegen habe Tschang tsching kommen müssen. Die Nya rong- oder (chines.) Tschantui-Leute, die von Gantse aus flußab links und rechts des Dsa tschü ihre Wohnung haben und zum Hoheitsbereich des Deba schung (sdeba gschung) von Lhasa gehören, seien das Zentrum der Gelugba-Brüderschaft gewesen. Sie hätten ihren großen Einfluß in religiösen Dingen auch in politischer Beziehung ausgenützt. Sie hätten auch nicht dulden wollen, daß Chinesen sich hier herum niederlassen und eines Tages hätten sie alle töten lassen. Dao tai Tschang war darauf ganz unerwartet mit seinen Bataillonen erschienen und hatte rasch alle wichtigen Punkte besetzt.

„Als er aber wieder nach Se tschuan zurückgereist war, ,aß sein Nachfolger Silber', er ließ sich von dem Nyarong-Lama bestechen und 1892 gab man den größten Teil des abgenommenen Landes an den Dewa schung zurück. Nach Peking aber wurde berichtet, daß man felsige Berggebiete freigegeben habe. Nachher sind alle Chinesen wieder aus dem unteren Dsa tschü-Tale vertrieben worden." — „Tschang tsching," fügte Lu hinzu, „hat sich die Vernichtung seines Lebenswerks so zu Herzen genommen, daß er in einem Zornanfall darüber starb" 1).

die `gefährlichen Neuerer mit ihrem strengen und demokratisierenden Kult. Die Kämpfe der Fürstenfamilien Kungsar (oder Kungser) und Mazar gegen die GelugbaMönche sind sprichwörtlich geworden; es ist sogar eine Art „Festungsspiel", das alt und jung in Osttibet kennt, danach „Kungser" betitelt worden. In diesem Kungserspiel — die Firma O. u. M. Haußer in Ludwigsburg hat es seither in den Handel gebracht — werden zwei Könige von 23 oder 24 Mönchssoldaten in die Enge getrieben. Die beiden Könige wehren sich mit blutiger Hand, während die Mönche als strenge Buddhisten nur durch Winkelzüge die Könige matt zu setzen suchen. Die Tibeter malen sich ihren Spielplan nur in den Sand oder auf einen flachen Stein, sie setzen aber als Gewinn oft erstaunlich hohe Preise aus.

1) W. W. Rockhill zitiert in seinem „Land of the lamas", S. 254, in einer Fußnote einen offiziellen Bericht der Pekinger Zeitung vom B. Januar 1884 an den Thron. Danach haben die Streitigkeiten damit begonnen, daß Traschi wang, der Sohn des Tu se von Tschanggu, auf den Rat seines Onkels, des Tu se von Kungsar, die Tochter des Tu se von Tschuwo heiratete, diese Frau aber auf den Einspruch seines Großvaters,

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