National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0219 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 219 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000264
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

~

gewichenen Gletschern. Größere Seen sind in diesen Teilen Tibets nirgends zu finden. Bald erbreitert sich das Yü lung-Tal bis auf einige Kilometer. Linker Hand hatten wir Weideland. In Seitenschluchten sahen wir manchmal kleine Zeltdörfer. Rechter Hand begannen Hochwald, Fichten und Tannen von großer Schönheit, die bis 4100 m emporsteigen, aber sich immer nur auf den nach Norden abdachenden Berglehnen halten und auch die Talsohle frei lassen.

Wir begegneten auf den nächsten Märschen täglich 400 bis 500 Yak mit Tee, am 9. April sogar 900 Yak. Die Karawanen brechen stets sehr früh am Morgen auf und rasten bereits von zehn Uhr oder gar von neun Uhr morgens. Ein Teeballen braucht auf diese Weise, um von Ta tsien lu nach Lhasa zu gelangen, fünf Monate und passiert Tausende von Furten.

Am 7. April lagerten wir neben Yang tse gomba (Säge gomba), einem kleinen Kloster des Nima-Glaubens mit achtzig Mönchen; ganz in seiner Nähe ist noch ein zweites Kloster dieser Sekte, das apart zwischen hohe Fichten und Kalkfelsen hineingestellt ist. Einer der Gelong bewirtete mich in seiner Klause mit Buttertee.

Am B. April lagerten wir neben einer Anhöhe, auf der ein Waldbrand seit vielen Tagen wütete und schon große Verheerungen angerichtet hatte. Es war der größte, den ich in Tibet sah. Mehrere Quadratkilometer des schönsten Urwalds waren dem Element zum Opfer gefallen und völlig vernichtet worden. Spuren von Waldbränden sind eine alltägliche Erscheinung. Niemand achtet auf seine Feuer. Die meisten Waldbrände entstehen in den trockenen Wintern durch die Gleichgültigkeit der Reisenden oder durch die eingeborenen Hirten. Sie werden so gut wie nie bekämpft. Man läßt sie langsam ausbrennen.

  1.  April verließen wir mittags das Yülung tschü-Tal (Tafel XXXI). Nahezu 50 km zieht es ganz gerade gestreckt nach Südosten und hat auf dieser Strecke eine breite, stattliche Sohle mit Viehweiden. Jetzt zeigte es sich mit einem Male tiefer eingeschnitten und begann sich nach Norden und Nordosten zu winden, während die StraBe in der alten Richtung immer weiter der südöstlichen Furche folgt. Der Fluß war zuletzt zwanzig Schritt breit und 1 m tief. Er lag nur noch 3575 m hoch.

Das nächste Lager stand in einer wahren Parklandschaft (Tafel XXXV) in 3800 m mit überaus ansprechender Aussicht auf die schneereiche Bergkette im Süden. Die Alpenblumen lagen nur leider noch im Winterschlaf. Die vielen Samenkapseln und Reste vom Riesenedelweiß, von hundert Primelarten, von Orchideen, von Rhododendren, Enzianen erzählten aber, wie prächtig und bunt es hier im Juni und Juli aussieht.

  1.  April überschritten wir bei schönstem Sonnenschein einen neuen 4100 m hohen Paß, von dem aus plötzlich und völlig überraschend der wunderbare Blick auf die Berge von Rungwatsun und Amne Rala sich öffnete. Der Neuschnee war bis hoch hinauf der Sonne der letzten Tage erlegen. Klar und scharf stachen die dunklen Grate aus Urgestein vom schimmernden Blau des Himmels ab. An den steilen Gipfelhalden glänzte Firnschnee, und blaugrüne Eisschründe, Gletscherabbrüche und Seracs, Lawinenrillen und Schneewächten winkten und lockten mein alpines Herz zu sich hinauf (Tafel XXXVI). Doch ich mußte unten in der Fastebene der Moräne in 4000 m Höhe bleiben und die Karawane hüten. Wir schlugen Lager zwischen den ungeheuren Moränenmassen, die sich im Norden der hohen Kette viele Kilometer breit ausdehnen und die die

173