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0128 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 128 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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22°. Der Fluß war in einer Breite von 20 m spiegelblank. Wir warfen ein paar Schaufeln Sand auf die Fläche und überschritten ihn dicht bei unserem Lagerplatz. Bis wir aber drüben waren, hatte der West nicht mehr viel von unserem Streusand übrig gelassen, einige Maultiere stürzten trotz aller Vorsicht und jetzt verstärkte sich der Wind von Minute zu Minute. Wir hielten auf den Gungga nor zu, der steil zwischen die Sandmassen, ganz wie der Si ni ts` o, eingelassen ist und durch eine breite Niederung mit dem Huyu yung-Tal in Verbindung steht, ohne daß freilich sein Wasser offen nach diesem Fluß abfließt. Sein Wasser ist süß. Ich hielt mich im Osten vom See, wo kein Weg ist, konnte aber dem Uferrand nicht folgen, weil die Schotter- und Sandmassen der Tala oder rDo tang allzu steil in die schlüpfrige Eisfläche abstürzten. Wir mußten bald die Tala-Fläche selbst erklimmen. Und oben empfing uns der zum rasenden Sturm gewordene West mit verstärkter Wucht. Stoß auf Stoß schüttelte und rüttelte an uns armen Reitern, als wollten uns Titanen aus dem Sattel heben. Von zehn Uhr an war die Luft so dicht mit Staub und Sand bepackt, daß wir kaum noch unsere nächste Umgebung erkennen konnten, daß wir uns eng zusammendrängen mußten, um niemand zu verlieren. In der weg- und vegetationslosen Wüste hätten wir die Richtung verloren, wenn ich nicht unausgesetzt den Kompaß in der Hand gehalten hätte. Die Tiere gingen nicht, sie erkämpften sich jeden Schritt vorwärts.

Um drei Uhr endlich fanden wir einen trockenen Erdriß, der uns etwas schützte. Wir kamen nicht länger gegen den Wind auf und bargen uns zwischen den hohen Dünen. Ich maß hier beinahe 33 Sekundenmeter Windgeschwindigkeit.

Als die Tiere abgeladen waren, stellten sie sich eng zusammen. Das Schwanzende gegen den Wind gedreht, ließen sie traurig den Kopf hängen. Abgesattelt wurde der Kälte wegen nicht mehr. Wir folgten darin ganz der Landessitte. Wir Menschen zogen den Pelzmantel über den Kopf, schützten uns dadurch gegen den alles durchdringenden Sand und warteten wie die Tiere. An ein Zeltaufstellen oder Kochen war nicht zu denken. Die erste Bö riß das Zelttuch fort und das gesammelte Feuerholz wirbelte mit dem Sand davon. Erst als es dämmerte, war der Wind so weit abgeflaut, daß zwei Mann nach dem 1 km entfernten See abreiten konnten, um Eis zum Kochen herbeizuschaffen. Sie brachten die unangenehme Meldung zurück, daß jenseits des Sees Lagerfeuer und Pferde zu sehen seien. Der Gungga nor galt allenthalben als Stelldichein der Straßenräuber, und auch jetzt schien eine solche Schar dort ihr Lager aufgeschlagen zu haben. Meine Späher waren bis in die Nähe der Waka geschlichen und hatten festgestellt, daß es eine Bande mit mehr als vierzig gesattelten Pferden war. Wir verzichteten deshalb auf etwas Warmes an diesem Tag. Jeder bekam dafür zwei steinhart gefrorene Brote aus Hsi ning fu in die Hand. Atemlos horchten wir Stunden hindurch auf jeden fremden Laut, der das einförmige Zischen des feinen, windgepeitschten Sandes übertönte. Beim leisesten Mucksen eines Hundes erwartet man wieder einmal den Angriff, umklammert die Hand die geladene Waffe, legt den Sicherungshebel am Gewehr frei. Mitternacht ist längst vorüber, ehe es der Schlaf gewinnt, die Müdigkeit die Nervenspannung überwindet. Ich hatte in der Nacht eine Zehe im Verdacht, nicht mehr mitspielen zu wollen, und zog um Mitternacht meine Strümpfe aus, stopfte dafür etwas Gras in die Stiefel und reiste von nun an barfuß in den großen

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