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0055 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 55 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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stolz, als wollte er die dummen zahmen Ponys verhöhnen, die sich die Last des Menschen gefallen und den Kopf so tief hängen lassen müssen.

Kurz vor Sonnenuntergang am Abend des 10. September waren Han und Tschang ausgezogen, um Orongo-Antilopen zu jagen, die in der Nähe sichtbar geworden waren. Plötzlich bemerkten wir wenige hundert Meter vom Lager einen Bären. Da mußte ich dabei sein! Schon waren wir auf 200 m heran-gekrochen. Auf einer größeren Erdscholle, ganz in der Nähe des Bären, saß ein schwarzer Adler. Ich hatte solche schon oft gesehen, aber nie einen erlegen können, da ich in allen Fällen vor der Alternative stand : Bär oder Adler. Dieser Wachtvogel wurde wieder nur zu bald auf uns aufmerksam und strich ab. Wie viele Bären hatten diese Schwarzen mir doch schon vertrieben ! Aber diesmal war Meister Petz so eifrig an der Arbeit, daß er auf die Warnung nicht weiter acht gab. Er hatte eben einige große Schollen gehoben, ein Rattenloch aus-

  •         gegraben und wollte jedenfalls sich seiner Beute noch versichern und ein paarmal tüchtig zubeißen, ehe er sich umsah, was seinen schwarzen Freund so ängstlich machte.

Ein kleines Füchslein huschte quer vor uns vorbei. Jetzt schaute der Bär auf, da krachten drei Schüsse. Er hatte kein günstiges Ziel geboten. Alle drei Geschosse waren in spitzem Winkel von hinten gekommen. Der Bär zuckte zusammen, sah uns einen Augenblick näher kommen und fort ging es, was ihn seine Beine tragen konnten. Etwa 500 m weiter blieb er in einer flachen Mulde stehen. Auf 200 m wiederum drei Schüsse. Zwei Kugeln sausten vorüber, eine dritte saß. Noch ging es einige Meter im Galopp davon, dann lag er auf dem Bauche ausgestreckt. Ich war den anderen voraus und kam dem anscheinend leblos daliegenden Tiere als erster nahe. Schon schnupperte auch meine alte Hündin, die ja immer eine eifrige Jägerin war, an ihm herum. Da erhebt sich plötzlich der Bär, stürzt zuerst auf die Hündin los, und als diese heulend mit eingezogener Rute, schneller als der Bär folgen kann, davonrennt, erblickt er mich und dringt auf mich ein. Wohl versuche ich mit der Pistole, die ich als einzige Waffe in Händen habe, auf das Blatt zu schießen. Das wütende Tier wird dadurch nicht in seinem Laufe aufgehalten. Mit ärgerlichem Brummen — ich höre es heute noch — wirft es sich auf mich, überrennt mich geradezu, so

daß ich zu Boden stürze. Ich höre noch von hinten eine weinerliche Stimme mir zurufen: „An den Ohren packen, Herr !", aber niemand eilt zu Hilfe. Endlich ist die Waffe wieder schußbereit. Der Kopf des Bären erscheint in der dichten, dicken Haarmasse. Ich empfinde einen stechenden Schmerz in meiner rechten Wade, der Bär beißt durch meine hohen tibetischen Lederstulpenstiefel und die dicken Pelzhosen. Ich zaudere, ich habe nur noch einen Schuß in der Pistole. Jetzt ist das Tier einen Augenblick ruhig und hält den Kopf günstig. Darauf habe ich gewartet. Mein letztes Geschoß dringt ihm in die Schläfe ein. Der Bär sinkt leblos auf mir zusammen. Vergebens strample ich mit dem Bein, um mich frei zu machen. Es will eine Ewigkeit dauern, bis endlich meine drei Begleiter herankommen, die nun das Gebiß des Tieres aus meinem Bein und der dicken Hülle, die ich darum trug, zu lösen hatten, ehe ich mich wieder erheben konnte.

Das Tier war ein ziemlich großes, ausgewachsenes Männchen. Zum Glück hatte es, wie alle tibetischen Bären, die ich erlegte, schon sehr stumpfe Zähne, sonst wäre ich nicht so glimpflich weggekommen. Es zeigte zwei schwere Unter-

 

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