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0093 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 93 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Am Serkhe nor sahen die Flüchtlinge ein, daß alle verdursten müßten, wenn sie weiter die eingeschlagene Richtung beibehalten würden. Sie wandten sich deshalb nordwestwärts, An si tschou zu. Dort aber wartete ein neues chinesisches Heer auf sie. Sie wurden aufs neue aufs Haupt geschlagen, und die traurigen Reste (etwa 8000), der vierte Teil von dem, was das Bamba-Tal hinaufgeflüchtet war, wurde zuletzt zwangsweise am Lob nor von den Chinesen angesiedelt.

Ich hörte später noch andere Mohammedaner darüber und erfuhr noch manches von Dienern, die als junge Bursche den ganzen Auszug miterlebt hatten. In der Lob-Gegend fühlten sich die unternehmungslustigen Dunganen sehr unglücklich. Ihren Handelssinn konnten sie dort nicht betätigen. Die Felder waren schlecht und wurden fortwährend von Wildschweinen verwüstet. Der größte Teil siedelte darum ums Jahr 1902 in die Provinz Ili und an die russische Grenze über, von wo sie vom Jahre 1905 an wieder allmählich in das Hsi ningsche Gebiet zurückkehren. Vor allem such en die meisten sich mohammedanische Weiber aus der Heimat zu verschaffen, weil diese viel hübscher, hauptsächlich aber weit billiger als die von Ili und Turkistan seien. Eine Vermischung der Dunganen mit den turkistanischen Mohammedanern scheint selten zu sein.

Den dunganischen Flüchtlingen war von Dankar aus der General Yen da ren mit tausend mit Mauser- und Remingtongewehren bewaffneten Reitern nachgesetzt. Er konnte aber nichts gegen sie ausrichten, da er hinter den Flüchtlingen drein mit den allergrößten Verpflegungsschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Im Dulan-Tal angekommen, war bereits sein ganzer Proviant, zweihundert Maultierlasten Mehl, verzehrt, und nur durch weit ausgedehnte und gewalttätige Requisitionen bei den tibetischen und mongolischen Stämmen konnte er es verhindern, daß nicht auch seine Schar wie die der Mohammedaner durch Hunger gelichtet wurde. Die Requisitionen waren aber so wenig ergiebig, daß er es nicht wagen konnte, den Mohammedanern in die menschenleeren Wüsten zu folgen. Seine Soldaten zwangen ihn, am Serkhe nor halt zu machen und auf den Nachschub vom Hauptquartier zu warten.

Mein Sung, der vor dem Marsch in die Steppe wie mein Tschang in den Laufgräben der Belagerer vor Doba gelegen hatte, erzählte mir, daß am Ufer des Serkhe nor Hunderte von Frauenleichen lagen, die in ihren Durstqualen das Salzwasser des Sees hinabgewürgt hatten. Oft hielten die starren Finger noch die Trinkschale fest. Auch seien seine Kameraden in den Wäldern hinter dem Kloster Dulan beim Holzholen auf Frauenleichen gestoßen, die von den Wölfen halb abgenagt waren. Oft hingen nur noch die Oberkörper und die Arme im Gezweige. Herzzerreißend klang der Bericht von den Leiden und dem Ende

der Frauen und Töchter des einstigen mohammedanischen Obersten in der chinesischen Armee, Ho. Sie flohen, wie alles floh, von Bamba vor der Soldateska Tung fu hsiangs. Auf ihren kleinen, zusammengeschnürten Humpelfüßchen konnten sie aber bald nicht mehr mit der fortdrängenden Masse Schritt halten und blieben ohne jede Nahrung zurück. Sie lebten von den Leichen am Wege. War an diesen kein Fetzen Fleisch mehr, so zerrieben sie die Knochen zwischen Steinen und aßen das Knochenmehl. Völlig entkräftet wurden sie von den chinesischen Reitern aufgegriffen und zum großen General geschleppt. Er ließ sie eine Weile herausfüttern, ehe er aber vom Serkhe nor aus weiterzog, wurden sie totgeschlagen.

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