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0397 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 397 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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auf ein „gai", ein Ghetto oder eine „Konzession", ein ziemliches Stück abseits

vom Klosterfrieden beschränkt. Die engen Karawansereien sind durch feste

Tore nachts verschlossen und werden von Mönchssoldaten gehütet. Der Laien-

platz, den allein ich am ersten Tage zu Gesicht bekam, ist ein abstoßender, ekel-

hafter Fleck Erde, aber als Fremder konnte ich nirgendwo anders ein Unter-

kommen finden und mußte nach langem Suchen sogar recht froh sein, ein freies

Plätzchen auf einem kleinen, schmierigen Kang in einer der muffigen Maultier-

kneipen zu finden. Unzählige wilde, dreckige Köter liegen und schleichen an

und in den Häusern herum, streiten sich, beißen sich und vollführen einen

Höllenlärm. Auf allen Gassen wird geschächtet und geschlachtet. Überall

riecht es nach frischem Blut, fließt Blut, aus dem übelriechenden Straßenkot

wird es von vollgefressenen Hunden aufgeleckt, denen die mohammedanischen

Metzger Haufen von Lungen und Lebern zuwerfen ; am Straßenrand stehen

Mauern aus Rinder- und Hammelschädeln. Neben den Chinesenhäusern sind

auch die Lagerplätze der Pilger, doch standen dort zurzeit nur zerfetzte Bettler-

zelte und ganz wenige kleine Mongolen- und Burjätenyurten.

Ich wurde spät am Abend mit dem sogenannten Ma lao ye, dem Vertreter

der Mohammedanergemeinde, und mit chinesischen Vertretern der Yang hang,

den Tientsin-er Agenten von fünf europäischen Exportfirmen, bekannt ; letztere

waren zum Einkauf von Wolle, von Häuten und Rauchwaren seit einigen Wochen

aus Lan tschou heraufgekommen und hatten alle besseren Räume mit Beschlag

belegt. Erst mit ihrer Hilfe bekam ich ein einigermaßen menschenwürdiges

Plätzchen.

Zwischen dem Karawansereidorf und dem Kloster liegt ein kleiner chinesischer

Ya men (tib.: rDya bon kar), in dem ein Offizier, eine Art Konsul der chinesi-

schen Regierung, als Vertreter des Hsün hoa ting seine Wohnung hat. Derselbe

spielte aber nur eine geduldete Rolle. Das rührige Leben und Treiben im

Dorfe Labrang, die Krämer, die Metzger, die Geiger, die Bettler, die Weiber,

der ganze beispiellose Dreck ließen mich schon am Abend hohe Erwartungen

an das Kloster stellen, von dem man vorher kaum den Namen in europäischen

Büchern hat nennen hören. Zu einem solchen Markt gehört auch ein großer

Verbraucher. Früh am anderen Morgen machte ich mich auf, um das Heiligtum

zu besichtigen. Ma lao ye hatte mir den wohlmeinenden Rat gegeben, mich nur

in Begleitung eines Geslong in seine Nähe zu wagen und hatte mir auch einen

solchen verschafft. Doch selbst in guter Begleitung, meinte er, sei es für mich

ein großes Wagnis; er wollte mich immer wieder davon abbringen. Obwohl

er genau wußte, daß ich Europäer und Deutscher sei, gab er mich zur Vorsicht

immer als „Katschi" aus. Mein alter grauköpfiger Geslong wagte auch gar

nicht, mich ins Klosterinnere zu führen ; er brachte mich bald hinter dem

Dorf auf einer Brücke über den Fluß und in den Wald im Südosten von

Labrang gomba. Am steilen Hang stiegen wir etwas empor und mit einem

Male hatte sich eine große Stadt vor mir ausgebreitet (Tafel LXVI).

Hunderte von weißleuchtenden Mönchszellen drängten sich unter mir zu-

sammen; aus ihnen schauten hohe, bunt bemalte Bauten wie altassyrische

Paläste herauf, und zahllose goldene Spitzen und Embleme glitzerten im Sonnen-

r.

besonders angefertigter Wetterlagekarten — wie sie für mich von Dr. Joester und Dr. Wussow vom Kgl. meteorologischen Institut Berlin entworfen wurden — berechnet

worden sind.

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