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0137 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 137 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Zu den ersten Reitern, die auf ungesatteltem Pferd und nur mit dem kurzen Schwert im Gürtel herangesprengt kamen, gesellten sich bald weitere mit langen Lanzen und Gabelgewehren in der Hand. Im Handumdrehen war mein Häuflein umringt von wilden braunen Gesellen. Man betrachtete sich gegen-

seitig von Kopf bis zu Fuß mit den mißtrauischsten Blicken. Dem einen Fan tse saß sein Filzhut, der die Form eines abendländischen Zylinders hatte — nur daß die Röhre bei 25 cm Höhe einen Durchmesser von noch nicht 10 cm besaß — wie das Cereviskäppchen der Korpsstudenten vor dem rechten Ohr; der andere hatte sich ein rotes Fuchsfell aufgesetzt, das er kunstvoll mit seinem Zopf festgebunden. Der hatte trotz der Kälte den ganzen rechten Arm nackt; der trug auf der bloßen Brust eine Kupferbüchse mit einem Bronzebuddha, der hinter einer Glasscherbe vorschaute ; sein Heiligtum mußte mehrere Pfund schwer sein.

Jetzt endlich wird das Anstarren durch ein schnarrendes „Arro !" unter-

brochen. Es gibt ein strenges Verhör. Tausend Fragen sollen beantwortet werden. Wir erfahren allmählich, daß wir dem großen Stamm ngGolokhHorkurma in die Arme gelaufen waren, ein Name, der neues Bangen barg. Die Unterredung währte eine halbe Stunde. Selbstredend wurde sie hoch zu Roß geführt. Auf meiner Seite waren die beiden Tschang die Hauptsprecher. Ich hielt mich wohlweislich, so viel ich konnte, im Hintergrund. Trotz aller Verstellungskünste fiel ich aber jedem auf. Ein ngGolokh rief frech, auf mich deutend: „Wessen Frau ist denn diese Chinesin da?" Bei meinem winterlichen Pelzschuhwerk von 35 cm Sohlenlänge und meiner Körpergröße von 1,82 m war es allerdings ein Irrtum, der uns kaum ernst bleiben ließ.

ï   Endlich willigte der Sprecher der Bande ein, daß wir, um einige Hämmel

und Pferde zu kaufen, neben seinem Zelte ein Kamp errichteten. Ich habe die

F      Erfahrung gemacht, daß es im Verkehr mit Tibetern das wichtigste ist, möglichst
rasch auf Kaufgeschäfte überzulenken.

Wir stellten um Mittag unsere zwei kleinen Zeltchen etwa 3 km vom Eis-

bette des Hoang ho auf. Ganz nahe von uns lief eine große Yakstraße das breite Tal hinauf, genau nach Westen. Sie führte zum Ts`aring nor und zum Sternenmeer hinauf und ist die uralte Völkerstraße, die das ngGolokh-Land mit Lhasa verbindet. Keinen Kilometer von uns waren neben der Straße kleine Mauern aus Leder- und Wollsäcken errichtet, zwischen denen Kochfeuer qualmten. Schon glaubten wir, wir hätten die Tschendu- und Lab gomba-Händler vor uns. Doch erfuhr ich, daß es ngGolokh-Khorgan-Leute waren, die dort lagerten; vierzig Bewaffnete mit dreihundert Yak. Die Khorgan sind einer der mächtigsten und deshalb auch räuberischsten Stämme im ganzen ngGolokhkaksum und haben ihre Sitze auf der Wasserscheide zwischen Hoang ho und Yang tse kiang, unweit der Grenze von Se tschuan. Die Händler hier hatten weiter im Westen in einer alten Pfanne Kochsalz geholt, das sie fünfzig Reisetage weiter östlich im Königreich Somo gegen Getreide einzutauschen pflegen. Die Leute benahmen sich sehr unfreundlich und abweisend und duldeten nicht, daß auch nur einer von uns ihr Lager betrete. Ich sah einige im Zelte des Sprechers Lobzang , als ich dort frisch rasiert , frisiert , patiniert und dreckbeschmiert eine Tasse Tee mit Tsamba zu mir nahm. Sogar gegen den lustigen Lobzang, bei dem den ganzen Tag Gäste aus und ein gingen, benahmen sich die Khorgan sehr hochfahrend.

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