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0280 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 280 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Ich versuchte am 13. Juni den großen Goldfluß aufwärts zu verfolgen, schrak aber in Anbetracht meiner ungewandten Steppenpferde vor den allzu abschüssigen Passagen zurück und beschloß, auf dem sogenannten „da lu", der Haupt- und Heerstraße, die nächste Mandarinenstadt Mu gung ting zu erreichen. Die Reise dorthin sollte nur drei Tage in Anspruch nebmen. Von Mu gung ting sollte ein ungefährlicher Weg über die Berge an den Oberlauf des großen Goldflusses führen. Allein schon die Überschreitung der Hängebrücke bei Romi Tschanggu, die mir weit und breit als Wunder der Technik gerühmt wurde, machte meiner Maultier- und Pferdekarawane unvorhergesehenen Aufenthalt. Die Chinesen haben diese Brücke erst vor wenigen Dezennien errichtet und haben eine Stelle ausgesucht, wo der Fluß in einem 50 m tiefen Felsgraben dahinschießt (Tafel XLVIII und XLIX). Die Brücke hängt darum hoch über dem schäumenden Wasser in einer Länge von 122 Schritt (rund 100 m). Kein Stückchen Eisen hat hier Verwendung gefunden. Ein Dutzend dünner, aus Bambus geflochtener Trossen verbindet die beiden Seiten. Sie sind auf beiden Ufern in Häuschen an Pfählen verankert. Jede einzelne ist kurz vor der Verankerung über eine vertikale Walze gespannt und kann mittels dieser Walze je nach Bedürfnis und dem Grade der Feuchtigkeitseinwirkung gespannt oder gelockert werden. Die Gehbreite der Brücke beträgt 1,2 m. Um jedoch die Bambustaue nicht allzu sehr zu belasten, bilden nur zwei schmale und dünne Längsbretter den Gehweg und Bodenbelag. Diese sind mit dünnen Häutestreifchen an die Querverbindungen angebunden, die in einem Abstand von nicht ganz 1 m aufeinanderfolgen und die Aufgabe

haben,   Belastung auf die Gesamtheit der Taue zu verteilen.

Vor dem Betreten der Brücke müssen alle Pferde und Maulesel abgeladen werden. Ein Brückenwart ließ Tiere und Lasten nur einzeln hinüber. Mehrere meiner Pferde glitten auf den schmalen Planken aus und hingen zappelnd in dem unheimlich schwankenden, luftigen Tauwerk, das jeder Windzug bewegte und das trotz seiner Walzen und Winden nie ganz gleichmäßig gespannt ist, sondern stets etwas windschief hängt. Der Brückenwart, offenbar an solcherlei Zwischenfälle mit den Pferden gewöhnt, nahm ohne Besinnen an einer anderen

     

Kin tschuan — Tung ho, den die Ta tsien lu-Tibeter dort rDyarong mutschü nennen. Das Yü tung-Volk (tibet.: Godong) untersteht einem eigenen erblichen Fürsten und spricht eine Sprache, die weder Chinesen, noch Tibeter oder Kin tschuan-Leute verstehen und die nur mit der Sprache von Bawang, dem nächsten Fürstentum oberhalb Romi Tschanggu, einige Ähnlichkeit haben soll. Die Bewohner sind Bauern und sind wahrscheinlich bereits mit den Lolo von Ning yüan fu verwandt, deren Sprache aber ja auch eine gewisse Verwandtschaft zum Tibetischen hat. Jedes Jahr im XI. chinesischen Monat feiern sie ein großes Volksfest, während dessen sie unter großem Geschrei auf allen Bergen Feuer entzünden. Das Fest gilt der Befreiung des Landes von einem grausigen Schlangengott. Vorzeiten — erzählen sich die Eingeborenen — lebte bei ihnen in einer Höhle eine große Schlange, der jedes Jahr ein Mensch geopfert werden mußte. Der Reihe nach hatte jede Familie eines ihrer Glieder der Schlange vorzuwerfen. Einst traf das Schicksal einen Schmied. Doch der warf ein großes Stück glühenden Eisens in die Höhle hinein. Die Schlange schnappte danach, verschlang es und verbrannte jämmerlich. Ihr versteinertes Bild wird noch heute in der Nähe des Flusses gezeigt. Die Godong-Leute werden von ihren Nachbarn um ihrer sonderbaren Tragweise angestaunt. Selbst Rückenlasten bis zu 100 Pfund werden an einem um die Stirn gewundenen Band getragen.

Auf dem linken Tung-FluBufer schließen sich gegen Süden die Gebiete des Leng pien und hierauf des Schen piep Tu se an, die aber heute schon fast vollkommen von der großen Chinesenflut verschlungen worden sind.

 

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