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0160 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 160 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Die Diele mußte für meine Begleiter als Aufenthaltsraum ausreichen, sofern sie nicht vorzogen, im offenen Hofe bei den Tieren zu nächtigen. Linker Hand von der Diele schloß sich ein schmales, aber langes Gelaß an, das nur durch eine handtellergroße Schießscharte etwas Licht empfing und sonst als Speicher für allerlei Vorräte diente. Es war mein Aufenthalt während der Tage in Tschendu. Von der Treppe her geradeaus ging es in einen etwas größeren Raum, in das eigentliche Wohnzimmer des ganzen Hauses. Wie die Diele und das Erdgeschoß wies es viele vertikale Holzsäulen auf. Es hatte eine kleine Fensteröffnung nach außen, durch die nur wenig Licht hereinfiel. Im Hintergrunde stand ein tischförmiger Kochherd mit vier Kochlöchern. Dort brannte beinahe den ganzen Tag ein Feuer aus Dung und Reisig und füllte das Haus mit erstickendem und beizendem Qualm. Ein paar Kisten standen als Truhen an den Wänden entlang. Einige Felle und Wolldecken waren tagsüber zusammengelegt und bildeten nachts die Betten, ein handhohes Tischchen, einige Schöpfkellen aus Messing, die neben dem Herd hingen, Götterbilder, die, umgeben von vielen wirren Haaren, von schmutzigen, angerußten Tuchlappen und schwarz gewordenen Khadar- Schals, eine Nische ausfüllten, zwei Gabelflinten, Schwerter und Spieße, Pack- und Reitsättel, sowie Säcke voll Gerste vervollständigten das Mobiliar. Es hausten hier meine drei Quartierherren, drei Brüder mit ihrer Frau. Die eine Frau hatte den drei Männern Weib zu sein, zu dienen, für sie zu kochen und, wenn es für nötig befunden wurde, zu fegen. Ich war im Lande der Polyandrie angelangt, wo immer der älteste Sohn die eine Hausund Ehefrau für die ganze Generation auswählen darf. Dicht nebenan mit dem gleichen Hof und Stall schloß sich das Haus an, wo die Söhne meiner vier Eheleute wohnten. Bereits hatte der älteste eine Frau gewählt und mit ihm zusammen wohnten noch drei Brüder, die teilweise halbwüchsige Bursche waren. Die einzige Tochter meiner Wirte hatte nach auswärts geheiratet.

Vom ersten Stockwerk stieg ich oft auf das ebene Dach, das auf allen Seiten durch eine dicke und hohe Brüstung aus Lehm und Steinen eingefaßt war. Dort oben stand noch der große Hausaltar, ein Bauwerk wie ein kleiner Ofen, in dem täglich den Göttern Wacholder verbrannt wurde (Tafel XLIII). An krummen Stecken flatterten fromme Sprüche und Beschwörungen zur Abwehr böser Geister im Wind und zur Verteidigung gegen menschliche Feinde lagen Haufen von Kieseln bereit, die im Bedarfsfalle teils mit der Hand, teils mit der Schleuder auf den Angreifer geworfen werden. Auch die Nachbarhäuser, die alle eines ans andere gekittet waren — wenn auch jedes eine etwas höhere oder niederere Dachplattform zeigte — bildeten eine solche Trutzburg mit einer Brustwehr, die rund 5-6 m über den Boden ragte. Alle zusammen waren eine geschlossene Festung, innerhalb deren die Bewohner über die Dächer hinweg zueinander gelangen und einander aushelfen konnten.

Von jenen Dächern aus sieht man weit nach Westen und Osten; talab und talauf sieht man noch eine Reihe gleicher, erdfarbener Häusergruppen und

Dorfkomplexe, alle aus halbmeterdicken Mauern gebaut, aus unbehauenen Stein-

trümmern unter Verwendung von viel Lehm. Auch mehrere Klöster konnte ich erkennen, den Dörfern ähnlich gebaute Würfel, die aber durch eine lustige, blau,

rot und weiße Bemalung das Auge auf sich zogen und von ferne schon auf einen besonderen Zweck hinwiesen, und vollends dadurch, daß die Mönchshäuser frei darum herum standen, sich etwas weniger wie Forts oder Festungen ausnahmen.

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