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0154 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 154 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Munde. In der blinkenden Schneelandschaft zwischen den hohen Schneegipfeln die struppigen Kerle und struppigen Tiere, die tausend baumhohen Lanzen, die tausend bunten Farben an Stiefeln, an Gürteln, Sätteln und Schwertern gaben mir ein wunderbares Bild mittelalterlichster Wildheit und Farbenliebe. Ich konnte mich nicht satt sehen an diesen Tamerlan- und Hunnengestalten.

Mit den Reitern zusammen ritt ich der langsamen Yakkarawane, die noch einen Tag länger unterwegs blieb , voraus. Inmitten der prächtigsten Kavalkade unter Hunderten von Lama mit roten Mützen und in der ganzen wehrfähigen Macht von Tschendu ging der Marsch quer über den breiten, gefrorenen Fluß Dsa tschü, dann noch ein breites, früheres Moränenfeld flach ansteigend bergauf zu einer Wasserscheide von 4480 m, um alsbald in eine Seitenschlucht des Dre tschü (des Yang tse klang) abzusteigen.

Von der Wasserscheide aus traf das Auge weit nach Süd und Südwest nur auf Berge, auf ein Gipfelzackenmeer, auf den wildest erregten Bergozean. Schwarz und trübsinnig waren schneefreie, melancholisch stimmende Täler zwischen den tausend weißen Bergkämmen eingekeilt.

Der erste Blick, den ich in die K`am-Provinz tat, war wenig einladend. Und, um meinen Vorstoß in diese Bergländer mir noch verwegener erscheinen zu lassen, trafen mich hier tausend schwarze, mißtrauische, giftig stiere Blicke von Lama- und Laienreitern, die auch nicht eine meiner Bewegungen außer acht ließen, die jede Notiz, jede Kompaß- und Aneroidablesung feindlich beurteilten, die in mir nur einen ganz gemeinen Spion sahen, so daß mich meine Begleiter wieder und wieder herzlich baten : „Zeige dein Buch nicht, verstecke dein Instrument, sieh nicht durchs Glas, Herr ! Sie murren bereits, weil du ihr Land auskundschaften willst, um ihnen unheimliches Unglück zu bringen."

Mit dem leichten Reisen und Hin- und Herreiten wie auf der Hochfläche war es mit einem Schlage vorbei. Von Millionen tiefer Rinnen ist hier das tibetische Hochland zerfressen. Wohl reichen die Gipfel weiter noch bis in die Hochregionen, die im Westen die weiten Flächen und Einöden unterbrechen, aber dazwischen hat das rinnende Wasser mit ungestümer Gewalt Schluchten herausgearbeitet, die Wälder und Felder, vielartiges Getier und fleißige, Ackerbau und Gewerben nachgehende Menschen beherbergen. Hier streift der Reisende nicht mehr so leicht und rasch über ungemessene Strecken wie in der Tschang tang. Hier muß man sich mühsam an die Naturpfade halten, die von den Bewohnern gefunden worden sind und ausgenützt werden.

Im Abstieg ging es erst recht steil eine Geröllhalde hinab, dann folgte der Pfad einem eisgesäumten, schäumenden Bach. Als ich etwa 4000 m Höhe erreicht hatte, schwand der Schnee und je tiefer wir kamen, desto steiler wurden die Talwände, die uns wie Gefängnismauern einschlossen. In schwarzen Felsabbrüchen stürzten die Berglehnen gegen die schmäler und schmäler werdende Talsohle ab und drückten mehr und mehr auf das beängstigte Gemüt.

Allmählich konnten meine Packtiere mit der leichtfüßigen Kavalkade des

Be hu nicht mehr Schritt halten und wir ritten einsam hinterdrein. Wenig unterhalb 4000 m Höhe trafen wir auf die ersten Häuser, schmutzige, niedrige,

ein- und zweistockige Hütten aus zusammengebackenem Schotter und Lehm, mit flachen Dächern und kleinen Löchern als Türen und Fenster. Haus an Haus standen diese Wohnungen. Ganz dicht waren sie zusammengedrängt und wie Schwalbennester zusammengeklebt. Und alles an ihnen war schmierig und

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