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0330 Aus Siberien : vol.1
Aus Siberien : vol.1 / Page 330 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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lichen, sehr angenehmen Geschmack hat, in Säckchen gesammelt. Ausser Airan und Tachegän geniesst man im Sommer noch Ziegel-Thee, der mit Milch, Sahne und Salz gekocht wird und so für den ungewöhnten Gaumen ein grauenhaftes Getränk bildet. Reichere Leute geniessen zum Thee noch Irimtschik-Käse. Dieser gilt aber als ein Leckerbissen. Fleisch geniessen im Sommer nur ganz reiche Leute, ärmere dann, wenn ein Thier fällt oder verunglückt, oder beim Festmahle und Opfer. Sonst werden nur allgemein im Spätherbste zahlreiche alte Thiere geschlachtet und das Fleisch für den Winter verwahrt. Der Winter ist die schlimme Zeit für den Altajer, denn der ärmere hungert ebenso wie sein Vieh, da er lange nicht genügende Käse- und Fleischvоrräthe beschaffen kann und im Sommer nicht dara'n denkt, den Acker zu bearbeiten. Da brechen oft Hungersnoth und Krankheiten aus, die einen grossen Theil des Volkes hinraffen. In schlimmen Jahren sollen die Armen wohl in Verzweiflung zu den russischen Dörfern ziehen und ihre Kinder verkaufen, um sie nicht vor ihren Augen verschmachten zu sehen. Gewöhnlich kaufen dann kinderlose Bauern diese Kinder auf und nehmen sie als Pflegekinder an, lassen sie taufen und ziehen sie auf. Ich selbst habe mehrmals solche vollkommen als russische Bauern aufgewachsene Kaimücken getroffen. Von Vieh werden meist nur Pferde, Schafe und Ziegen geschlachtet, die Rinder dagegen lieber an Russen verkauft. Die harten Käse werden im Winter in Wasser zerrührt und sollen dann einen dem Airan ähnlichen Geschmack haben. Aus der Sahne wird Butter und aus ihr Mundvorrath für die Jagd bereitet. Die Gerste wird geröstet, zerrieben und in Wasser gekocht.

Dies ist so ziemlich der Speisezettel der altajischen Küche. Reich und Arm haben vollkommen dieselbe Nahrung, der Unterschied besteht nur in der Grösse des Kessels und in der Menge der Speise. Der Arme isst eben, was er hat und das ist meist sehr wenig, und er würde vor Hunger sterben, wenn der Reiche nicht so grossen Ueberfluss an Speise hätte, dass er bereitwillig gegen jeden sich in der Jurte Einfindenden im Sommer seine volle Gastfreundschaft ausübt. Der Magen der Altajer ist unter solchen Verhältnissen von einer seltsamen Constitution, er ist von Jugend auf an die grösste Unregelmässigkeit des Speisegenusses gewöhnt. Ein Altajer kann tagelang hungern, ohne dass er auch nur eine Klage über den Speisemangel hören lasst,