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0368 Aus Siberien : vol.1
Aus Siberien : vol.1 / Page 368 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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Erst waren die Leute ziemlich scheu und kamen nur einzeln zu meinem Zelte, bald war dasselbe aber von Teleuten gefüllt und nun liess sich der teleutisch redende Pi (Beamte) wie ich bald bemerken konnte, mit mir recht gern in ein Gespräch ein. Ian fasste bald zu mir Zutrauen und begann über die Noth und die Ungerechtigkeit der Beamten zu klagen. Auf die persönlichen Klagen und Beschwerden konnte ich natürlich nicht eingehen, sondern rieth ihnen, sich an's Kreisgericht oder an den Gouverneur nach Tomsk zu wenden ; interessant und lehrreich waren aber für mich dieselben, da ich auf diese Weise so manches Tiber die hiesigen Verhältnisse erfuhr.

Die Teleuten blicken voll Neid auf die Ansiedelungen der russischen Bauern in der hiesigen Ebene. Vor 50 Jahren, meinten sie, waren hier nur sehr wenige Dörfer und das ganze Land gehörte uns. Jetzt sind überall Dörfer, die noch von Jahr zu Jahr sich vermehren und vergrössern, unsere Zahl und unsere Wohlhabenheit nimmt von Jahr zu Jahr ab, jetzt soll uns schon das Land zugemessen werden, während dasselbe doch überall uns gehört. Vergebens suchte ich ihnen zu verdeutlichen, dass das hiesige Land Kronsland sei und die Krone darüber zu verfügen das Recht habe; auch läge der grösste Theil ihres Landes bis jetzt noch unbenutzt.

Recht deutlich zeigen die Verhältnisse der hiesigen Teleuten, wie jeder Fortschritt der Civilisation ein Resultat des Kampfes um's Dasein ist. Alle Bemühungen der Krone, die Eingeborenen Sibiriens ansгΡissig zu machen und zum Ackerbau zu gewöhnen, sind allerorten gescheitert, bier aber hat die Noth die Leute selbst zur Ansiedelung und zur Aenderung ihrer Beschäftigung gezwungen. Weil die russischen Ansiedelungen ihr Gebiet einzuengen begannen, die Eingeborenen sich aber der Landesbeschaffenheit nach nicht in die unwirthsamen `Välder und Einöden verkriechen konnten, so war die Folge der Einengung ein socialer Fortschritt: die Aule ballten sich zu grösseren Dörfern zusammen, man baute sich feste Wohnhäuser, begann sich hauptsächlich mit Ackerbau zu beschäftigen und lernte allmählich von den Nachbarn, ohne den Sitten und Gebräuchen der Vorfahren zu entsagen. Die Uebergangsstufe ist bald iiberwunden und ich bin überzeugt, dass nach einigen Jahrzehnten dlie Teleuten die Civilisationsstufe der russischen Bauern vollkommen erreicht haben werden.