National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0354 Aus Siberien : vol.1
Aus Siberien : vol.1 / Page 354 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000224
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

322 —

Die Mission am Ulalu ist ein sehr bedeutendes Dorf mit grossen reinlichen Häusern ; die hiesigen altajischen und teleutischen Einwohner stehen vollkommen auf demselben Standpunkte der Civilisation wie die russischen Bauern, halten aber fest an ihrer Nationalität. Deutlich kann man hier den wohlthätigen Einfluss des Archimandriten Makarii erkennen, er hat die Eingeborenen nicht nur äusserlich getauft, sondern auch einen grossen Theil zu wahren Christen umgeschaffen. Ich fand bei den hiesigen Teleuten eine Kenntniss der Religion, wie man sie in russischen Dörfern vergebens suchen würde, und dabei einen festen moralischen Sinn, der sich schon oft hier geltend gemacht hat. So hat z. B. die Gemeinde beschlossen, weder Branntweintrinker noch Kartenspieler unter sich zu dulden, und strenge bestraft sie Jeden, der dieses Gebot überschreitet. Die umwohnenden russischen Bauern haben es schon oft erfahren, dass die UlaluTataren sich nichts von ihnen gefallen lassen. sie stellen sich den russischen Bauern vollkommen gleich. Tataren, die der russischen Schrift kundig sind, giebt es hier nicht wenige, merkwürdiger Weise auch unter den älteren Leuten, die von Pater Makarii selbst unterrichtet worden sind.

Die Kinder verstehen alle russisch zu lesen, denn jetzt ist hier schon eine russische Schule vorhanden. Der gebildetste der hiesigen Einwohner ist der Teleut Tschiwalkoff, welcher sechs Jahre lang Dolmetscher und Uebersetzer bei Pater Makarii gewesen und sich während dieses Dienstes bedeutende Kenntnisse erworben hat. (Jetzt ist Tschiwalkoff zum Geistlichen geweiht.)

Sehr interessant ist es, den geistigen Standpunkt der hiesigen Einwohner zu beobachten. Die christliche Religion hat hier in der That feste Wurzel gefasst. Trotz alledem ist der Aberglaube der früheren Religion nicht aus dem Herzen gewichen, sondern hat sich im Ideenkreise der neuen Religion eingebürgert. Ueberall hört man Wundergeschichten ; Erscheinungen von Heiligen sind bei den hiesigen getauften Tataren an der Tagesordnung. Die mystischen Gebilde des Christenthums sind die Lieblingsgespräche der Abendstunden. Die frühere Religion erscheint als eine teuflische und der Schaman ist geradezu Belzebubs Diener, dessen schädlichen Einfluss man vor allem fürchtet, da man vom alten Glauben abgefallen ist. Häufig war dies das Thema unserer Unterhaltung. So erzählte mir z. В. mein Wirth, er habe einst in einer Jurte übernachtet, wo der Scha-