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0518 Aus Siberien : vol.1
Aus Siberien : vol.1 / Page 518 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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heimlich aufgefangen wird, was natürlich dem strengen Muselmane ein wahrer Gräuel ist.

Wir können aber beobachten, wie besonders in den letzten Jahrzehnten die benachbarten ansässigen Mohammedaner einen stets zunehmenden Einfluss auf die Kirgisen ausüben. Die Sitte des Haltens von Lehrern ist bei den Kirgisen der Nordsteppe jetzt allgemein verbreitet. Es sind hauptsächlich Tara- und Tobolsker Tataren, die jährlich zu Hunderten in die Kirgisensteppe gehen und dort von reichen Kirgisen als Lehrer gemiethet werden. Der reiche Kirgise eröffnet dann in seiner Jurte eine Freischule für die Kinder der benachbarten Aule. Ich selbst habe öfter dergleichen Schulen angetroffen. Ein solcher Lehrer vermiethet sich gewöhnlich auf 2-3 Jahre und es gelingt ihm meistens, 30-50 Kinder im Lesen, Schreiben und in der Kenntniss der Glaubenssätze des Islams zu unterrichten und in echte Moharnmedaner zu verwandeln. Einen nicht geringen Einfluss üben die die Steppe bereisenden Kasaner Kaufleute aus, die überall auch die Rolle der Missionäre übernehmen. In der westlichen Steppe ist der Einfluss des Islams schon so stark geworden , dass jetzt Hunderte von kirgisischen jungen Leuten, die dah2iгΡn eine Elementarbildung erhalten haben, zu den tatarischen Medressen des nördlichen Russlands sich begeben und dort die Wissenschaft des

Islams gründlich studiren. Sо leben schon seit Jahrzehnten in der Medresse im Dorfe Sterlebasch im Ufaer Gouvernement bis

150 Kirgisen, die dort wenigstens zehn Jahre zubringen. Ja, in der Stadt Kasan habe ich 5 Individuen aus der Steppe getroffen, von denen eines 15 Jahre in einer Medresse in Kasan gelebt und im vorigen Jahre zur Steppe zurückgekehrt ist.

Trotz alledem ist die Kenntniss der Schrift und das Studium der arabischen Sprache nicht weit in die Steppe einge-

drungen und häufig wird noch, wie ich einmal selbst zu beob-

achten Gelegenheit hatte, der im Koran lesende tatarische Gast aufgefordert, die Jurte zu verlassen, da in derselben Niemand

gestorben sei und der Wirth sich furchtet, dass das Lesen des Korans einen schädlichen Einfluss ausübe. Fluchworte murmelnd und mit vor Verachtung und Hohn verzerrten Zügen verliess der Rechtgläubige die Jurte, setzte sich etwa 50 Schritte abseits und las dort weiter.

Am meisten Propaganda für den Islam machen in der Steppe die sogenannten Büchergesänge, wie Sar Sаman (die Zeit