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0557 Aus Siberien : vol.1
Aus Siberien : vol.1 / Page 557 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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Christenthums, das durch sein Verbot der geschlechtlichen Nei. giing das Laster der lüsternen Entsagung hervorgerufen haben soll! Das Uebel der Trunksucht ist den Kirgisen durchaus fremd.

Die Kasakkirgisen kennen nur ein berauschendes Getränk, das ist der Kumys, den sie, wenn er in reichem Maasse vorhanden, oft in solcher Quantität zu sich nehmen, dass er endlich eine Art von Angetrunkenheit hervorruft. Als ich einst einen in mein Zelt kommenden Angetrunkenen zurechtwies, bat er um Entschuldigung und meinte, er habe ja nicht getrunken, „die schöne Speise hat mich benommen " . Milchbranntwein bereiten nur die schwarzen Kirgisen, aber auch nur in sehr geringer Menge. Auch wenn die Kirgisen in russischen Städteп wohnen, geniessen sie keinen Branntwein und zwar weisen sie stets darauf hin, dass Branntwein eine vom Gesetz verbotene Speise sei; sie sind in dieser Beziehung rechtgläubiger als die die Städte bewohnenden Tataren, die in letzter Zeit häufig dem Trunke ergeben sind. Das Rauchen kennt der Kirgise nicht, aber dafür schnupfen alle Männer der Steppe stark und leidenschaftlich.

Wenden wir jetzt unsere Aufmerksamkeit dem socialen

Leben der Kirgisen zu, so sehen wir aufs Deutlichste, wie dieses in engem Zusammenhange mit ihrer Lebensweise steht. Der Kirgise ist echter Nomade und bedarf als solcher eines bedeutenden Terrains, uni zu einer gewissen Wohlhabenheit zu gelangen. Sommer- und Wintersitze liegen oft mehrere Meilen weit auseinander und sind, wie ich oben gezeigt, nur die letzteren als Besitzstand des Einzelnen zu betrachten. Auf diesem Terrain zieht nun der Kirgise mit der beweglichen Habe (seinem werthvollen Viehstande) umher, die leichter als jeder andere bewegliche Besitz die Beute der Nachbaren werden und aus dem Gesichtskreise des Besitzers entführt werden kann. Denn die Steppe ist frei und offen, und der feindliche Nachbar kann mit grosser Geschwindigkeit viele Meilen Weges zurücklegen und den

Besitzstand bedrohen. Diese Verhältnisse zwingen die Steppennomaden, sich nicht in einzelne Familien zu zersplittern, wie die Gebirgsnomaden und jagenden Waldbewohner. Der Kirgise be-

darf ja stets eines kleinen Heerhaufens, der bei etwaigem Ueberfalle ihm seinen Besitz schützen hilft und im Nothfalle dem Feinde die entführte Beute wieder abjagt. Andererseits zwingt der Erhaltungstrieb das Volk häufig, das Eigenthumsrecht der