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0063 Die Geographische-Wissenschaftlichen Ergebnisse meiner Reisen in Zentralasien, 1894-1897 : vol.1
Die Geographische-Wissenschaftlichen Ergebnisse meiner Reisen in Zentralasien, 1894-1897 : vol.1 / Page 63 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000262
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Von Khotan durch die Wüste nach dem Kerija-darja und weiter nach Schah-jar. 51

liegt. Am jetzt vom Wasser benutzten Bett wurde jedoch der Wald endlich, im nördlichsten Teil des Laufes , immer lichter, um zuletzt, wo das Bett im Sand verläuft, aufzuhören. Bemerkenswert fanden wir auch, dafs der einzige Weg am Kerija - darja ebenso wie bei Jarkent- und Khotan-darja dem linken Ufer folgt; am rechten Ufer würde ein Weg der östlichen Bewegung des Flusses ausgesetzt sein und infolge dessen durch ungünstigeres Terrain laufen. Im Kerija - darja fanden wir auch wie in den beiden westlichen Flüssen eine Frühlingsflut, die durch das Aufgehen des Eises verursacht wird.

Bei einem Vergleich zwischen den beiden Schwesterflüssen Khotan - darja und Kerijadarja erfahren wir, dafs dieselben einander im grofsen und ganzen sehr ähnlich sind. Es kann ja auch nicht anders sein bei zwei Flüssen , die in nur ca 115 km Entfernung voneinander und parallel miteinander in derselben Richtung (SSW—NNO) fliefsen, und zwar durch ein Gebiet, welches überall dieselben Eigentümlichkeiten aufweist, wo immer dieselbe öde, trockene Sandwüste sich ausbreitet. Auch am Khotan-darja fanden wir also denselben schmalen Waldgürtel, in dem nur in geringer Zahl Hirten leben. Den gröfsten Unterschied zwischen den beiden Flüssen bietet aber das Verhältnis ihrer Wassermengen dar. Der Khotan - darja wird durch zwei Quellenflüsse , Kara-kasch und Jurun - kasch , gebildet, von denen jeder beträchtlich mächtiger ist , als der Kerija- darja, und zwar wegen der ausgedehnten Gebiete des nordtibetanischen Hochlandes, welche von ihnen entwässert werden, vielleicht auch wegen des hier im Westen reichlicheren Schneeniederschlags und Vergletscherung. Die natürliche Folge dieses gröfseren Zuflusses ist auch die ungleich gröfsere Kraft des Khotan-darja, sich einen Weg durch die Sandwüste zu bahnen und diesen Weg gegen den Treibsand immerfort freizuhalten. Der .Flufs erreicht deshalb nicht nur den Jarkentdarja , sondern liefert ihm auch eine im Hochsommer bedeutende Wassermenge. Wegen der gröfseren Erosionskraft des Khotan-darja ist auch sein Bett mehr konstant als das des östlicheren Flusses und teilt sich nur selten und nur für kürzere Strecken in ein paar Arme.

Der Kerija-darja dagegen erreicht nicht nur nicht den südlichen Arm des Tarimsystems, sondern hört schon in einer Entfernung von 110 km von demselben auf. Seine Wassermassen haben keine Kraft mehr, sich durch die ganze Wüste Bahn zu brechen, sie werden vielmehr weit oberhalb des Endes unentschlossen, als ob sie nicht recht wüfsten, wohin sie sich begeben sollten ; das untere Gebiet des Flusses ähnelt also in gewissen Beziehungen einer Deltalandschaft. Dafs aber der Flufs in früheren Zeiten sich viel weiter nördlich erstreckt haben mufs , fanden wir durch das alte , versandete , aber doch deutliche Bett in der nördlichen Fortsetzung. Der Flufs, der hydrographisch immer zum Tarim-System gehört, hat sich also, und zwar wegen klimatischer Veränderungen, von demselben abgeschnürt, bildet jetzt ein isoliertes Gebiet für sich und liefert dem Tarim und dem Lop-nor keinen Tribut mehr. Inwieweit diese Verkleinerung des Flusses mit einem Aufschwung in den Bevölkerungsverhältnissen in der Gegend von Kerija und mit der daraus folgenden Entwickelung des Bewässerungssystems, d. h. der gröfseren Brandschatzung des Flusses, zusammenhängt , ist schwer zu bestimmen ; eine Annahme in dieser Richtung ist aber kaum wahrscheinlich ; an den Ruinen der ersten, alten Stadt fanden wir wenigstens „köttek"; in der nördlichen Fortsetzung des Flusses dagegen hört der alte, abgestorbene Wald schon nach wenig Tagereisen auf. In geschichtlicher Zeit scheint also jedenfalls der Flufs mit dem Tarim nicht in Verbindung gewesen zu sein. Ohne Zweifel geht der Khotan-darja einem ähnlichen Schicksal entgegeu.

Das Gebiet des unteren Kerija-darja ist nur von Hirten bewohnt, deren aus Schafen,

Ziegen und Rindvieh bestehende Herden 300 bis 2000 Individuen auf jeden „agil"

zählen und meistens „bajen" (eigentlich reichen Männern) in Kerija angehören.   Am
ganzen Laufe wohnen ungefähr 150 Menschen. Jede Hirtenfamilie hat mit ihrer Herde einen besonderen Bezirk , dessen Grenzen sie nicht übertreten darf. Sie halten sich bei

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