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0120 Die Geographische-Wissenschaftlichen Ergebnisse meiner Reisen in Zentralasien, 1894-1897 : vol.1
Die Geographische-Wissenschaftlichen Ergebnisse meiner Reisen in Zentralasien, 1894-1897 : vol.1 / Page 120 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000262
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Hedin, Reisen in Zentralasien.

Saat, wird der Weizen geerntet. Die Söhne begeben sich dann nach Abdal, wo die ganze Familie den Winter zubringt. Sie haben da genügende Vorräte von Mehl , Brot, Fisch

und Fleisch.

Auf dem Wege nach Mian , so wurde mir gesagt, passiert man zuerst einen Gürtel von „schor" oder Salzmorästen, die sich am Südufer des Sees ausbreiten, dann einen Gürtel von „dung ", d. h. hügeligem Boden , bisweilen mit Tamariskenkegeln , und endlich einen Gürtel von lichtem Pappelwald mit abgestorbenem Wald, „köttek", untermengt. In der Gegend von Mian sollen einige alte „potaj" 1) (Lehmpyramiden) gelegen sein. Die Bäche von Mian und Tjarkhlik sollen die Seen nur bei „sil-su" oder durch heftigen Regen ver-

ursachten Überschwemmungen erreichen.   Der Bach von Mian soll ausschliefslich vom
Regenwasser im Gebirge gespeist werden, und die Bewässerung ist deshalb weniger zu-

verlässig.

Die Lopliks selbst erzählten mir, dafs die Bevölkerung des südlichen Lop-Gebietes jetzt viel geringer ist, als in der Zeit von Prschewalskij. Mehrere damals bewohnte Plätze sind während der letzten 20 Jahre verlassen worden. Diese Thatsache, die ich ja auch selbst kontrollieren konnte, beruht darauf, dafs der See mit jedem Jahre kleiner wird und sich mehr und mehr in einen Sumpf verwandelt, wo der Kamisch dem Fischfang die gröfsten Schwierigkeiten in den Weg legt. Dazu haben die Lopliks auch gefunden, dafs das Fischerleben sich nicht lohnt und sich im Verhältnis zum Ackerbauerleben sehr ungünstig stellt. Mit Fischerei können sie wohl das Leben erhalten, aber die Ackerbauer, die von den chinesischen Behörden in Tjarkhlik entweder Boden gekauft oder erhalten haben, verdienen dabei auch etwas Geld. Man kann deshalb sagen, dafs seit Jakub Beks Zeiten sowohl der See, als die Bevölkerung um denselben sich in einem Zustand konstanter Abnahme befunden hat. Gleichzeitig und dieser Abnahme entsprechend ist die kleine Stadt Tjarkhlik an Bedeutung und Bevölkerung gewachsen.

Von den fünf Namen, welche Prschewalskij am Kara - koschun auf seiner ersten Karte (187 7) eingetragen hat, fand ich nur einen, nämlich Kum-tjappgan; die übrigen Dörfer sind entweder verschwunden oder verlassen, in welchem Falle die Kamischhütten oder deren Ruinen noch vorhanden sind. Prschewalskij erwähnt folgende 11 Dörfer am südlichen Lop-nor: Tjeggelik, Tokkus-attam, Abdal, Kutjag-attam, Kum-tjappgan, Kumluk, Ujtun, Schakel, Kara-kurtjin (eigentlich zwei Dörfer) und Tjarkhlik. Ich fand 20 Jahre später folgende bewohnte Niederlassungen : 'Tjeggelik, Tjaj, Tokkus-attam, Jurt-tjappgan, Abdal, Kutjuk-attam, Kumtjappgan, Tusun-tjappgan und Tjarkhlik. Die Zahl der Bewohner kann ich höchstens auf 200 schätzen, wobei Tjarkhlik nicht mit gerechnet wird. Kuntjekkan Bek schätzte die Bevölkerung des ganzen Gebietes, also mit Dural und Tjarkhlik, auf 150 rujlik" (Höfe, Familien). Pjewzow zählte (1890) in der ganzen Lop-nor-Depression 160 Familen oder etwa 800 Menschen, wovon 300 in Tjarkhlik.

Dazu kommen noch die nördlichen Niederlassungen. Bei Tokkum sollen nur Hirten wohnen. Arghan ist der letzte Ort, der zu Tjarkhlik gerechnet wird , das nördlich davon gelegene Gebiet gehört zu Dural. Dural ist also die „Hauptstadt" des nördlichen, Tjarkhlik die des südlichen Lop-Gebietes. Es heisst nicht Tjarkalik oder Tjaklik, wie andere Reisende geschrieben haben; „tjarkh" ist eine Art Spinnrocken, und einen solchen sollen die ersten Ansiedler der jetzigen Stadt unter einigen Ruinen in der Nähe gefunden haben; bei der hiesigen Aussprache verschwindet aber der r-Laut, eine Vernachlässigung, welche die Einheimischen selbst „dill kellmaidi" nennen, d. h. „die Zunge kommt nicht mit"; dies erklärt auch die unrichtige Schreibweise Pjewzows, welche den Arka-tag oder hinteres Gebirge zu einem Akka-tag („Gebirge des älteren Bruders") macht. Das Wort „abdal" bezeichnet eine Art Bettler oder Taugenichtse mit langem Haar , die von Ort zu Ort wandern, um, wenn sie genügende Vorräte für einige Tage zusammengebettelt haben , gar nichts zu thun. In Tjarkhlik giebt es jetzt 5 bis 6 solche „abdals” ; in den Städten am Südrande des Tarim-Beckens werden die „abdals" streng von den „divanes", die einen mehr religiösen Anstrich haben, unterschieden. Der Name Lop - nor ist unter den Bewohnern selbst gar nicht im Gebrauch, sie kennen nur Lop und bezeichnen damit die kleine Niederlassung nicht weit

1) Das oben oft erwähnte und von den Muselmännern in Ostturkestan adoptierte Wort 9!potaj" ist das chinesische »p'ao-t'aic und bedeutet ursprünglich Fort oder Wachtturm,