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0613 China : vol.3
China : vol.3 / Page 613 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000260
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DER POYANG-SEE IM HERBST.

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ein Canal, und ein Theil des vermeintlichen Festlandes löste sich als eine bergige Insel, Ta-ki-shan, ab. Der Canal führt um sie herum in den offenen See zurück. Aber ehe er ihn erreicht, zweigt sich ein anderer Canal ostwärts ab und scheidet eine zweite hügelige Insel vom Festland. An dieser Abzweigungsstelle liegt, am nördlichen Gestade, in einem vor Wind und Wellen gesicherten Winkel, die Hafenstadt Tu - t s h a ng- h s i ë n. Ihre auf ansteigendem Grund hingelagerten hübschen Häuser werden durch einen grossen Tempel mit zahllosen Schnörkeldächern und Giebeln überragt. Der Hafen ist geräumig, von allen Seiten geschützt und auch im Winter zugänglich. Jetzt vereinigten sich hier mehrere, theils in die Flüsse des Festlandes eingreifende, theils durch Inseln getrennte Canäle stillen und tiefen Wassers. Südlich vom Hafen erstreckt sich von West nach Ost eine anmuthige, mit jungen Kieferbeständen, hohem Graswuchs und einigen Feldern bekleidete, durch Tempel und wohlhäbige Gehöfte geschmückte Hügelreihe, welche in die beiden genannten Inseln zerfällt. An der Nord-Seite dagegen, und von da nach West und Ost, ist alles Latent-Terrasse, deren ebener Boden 6o bis 8o Fuss') [25 in] über Hochwasser liegt. Aus ihr steigen Hügel erst in einiger Entfernung an, im Norden im Abstand von ungefähr 6 g. M. [ii km]. Alluvial-Boden über dem jetzigen Wasserstand war nirgends zu sehen.

Ich segelte ostwärts hinaus. Unübersehbar dehnte sich die Wasserfläche nach Süden. Nach Osten ist sie begrenzt. Die Karte des Winter-Canals von STUART, welche ich zur Hand hatte, zeigte dort eine feste, einfache Küstenlinie. Statt Dessen gelangte ich in ein Labyrinth von Inseln, Canälen und breiten Ausläufern des Seees2). Eine südliche Inselreihe, welcher San-shan und der Ost-Vorsprung von Wu-kung--shan3) angehören, hat hügeligen Charakter. Ihnen schliesst sich nach Nordost Tshang-shan (»die lange Insel»)4) an, welche nebst einer Nachbarinsel zu 25o bis 30o Fuss [6o-90 m] aufragt. Sie bestehen aus r ö t h 1 i c h e n Sandsteinen, welche die abnorme Streichrichtung NNW—SSO haben und 3o° WSW fallen. Nördlich davon sind sämmtliche Inseln Bruchstucke einer Terrasse, deren auszeichnendes Merkmal die Herrschaft des La t e r i t es als Oberflächengebildes ist. Aber die tieferen Theile ihrer Wände entblössen stets geneigte Schichten von rothen thonigen Sandsteinen und Schiefer t h o n e n , die nach oben allmählich in den Laterit übergehen.

Die Landschaft ist hier ausserordentlich malerisch. Steile tiefrothe Abbrüche begrenzen die gewundenen, bald endlos sich verzweigenden, bald zu grossen Wasserflächen sich ausbreitenden Canäle. Hohe Baumgruppen von gesättigt grüner Färbung, niederes Gebüsch, Grasflächen und terrassirte Felder geben der Oberfläche eine parkartige Abwechselung. Aus den Baumgruppen ragen die barock geformten Giebel und Dächer von Tempeln hervor, und unter ihrem dichten Schatten gruppiren sich malerisch die Wohnhäuser. Die rothbraunen Segel der Fahrzeuge bringen Leben und Bewegung. Im Hintergrund erscheinen die Umrisse ferner Bergreihen, unter denen der Lu-shan im Westen sich durch Höhe und Form auszeichnet. Die herbstlichen Sonnenuntergänge brachten in diese Landschaft eine Fülle zauberischer Färbung. Es war jetzt nicht nur die schönste, sondern auch die zweckmässigste Jahreszeit zur Bereisung des Poyang Seees, und ich bedauerte, ihm nur kurze Zeit zuwenden zu können.

Es zeigte sich an den Inselgestaden, dass das Wasser in diesem Jahre einen ungewöhnlich hohen Stand hatte; denn viele Sträucher und kleine Bäume ragten nur mit ihren Laubkronen darüber hervor. Die Leute sagten, dass es seit 20 Jahren nicht so hoch gestanden habe5). Und doch war es, wie man mir auch in Kiu-kiang berichtete, schon um 4 Fuss [1,2 in] gefallen. Ich maass Tiefen von 19 bis 24 Fuss [5,7-8,2 mn], wo im Winter der Seeboden unbedeckt ist. Letzterer soll hier, nach STUART'S Angabe, zum Theil einen sandigen Charakter haben. Doch dürfte sich Dies nur auf die unmittelbare Umgehung der winterlichen Flusscanäle beschränken. Die Inseln der Laterit-Terrasse besitzen die Eigenthümlichkeit, dass sie steil zur Tiefe abfallen und fast an jeder Stelle angesegelt werden können. Der trennende Seeboden ist beinahe eben.

  1. [Tagebuch : 5o bis 8o Fuss.]

  2. [ Vergl. die Landschafts- Skizze nach einer grösseren Bleistift- Zeichnung des Verf in »Tagebücher aus China«, Bd. I, bei S. 288.]

  3. [ Vergl. die Anmerkung auf S. S7o.]

  4. [Eigentlich »der lange Berg«.]

  5. [Das Tagebuch sagt genauer, die letzte grosse Bluth sei 185o gewesen.]