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0653 China : vol.3
China : vol.3 / Page 653 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000260
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DIE STADT DES PORZELLANS.

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waren wenige Leute auf den Gassen. Aber es war wie ein aufgestörtes Wespennest. Hunderte und Hunderte wuchsen aus den Mauern heraus. Man schrie und drängte uns gewaltsam vorwärts; schliesslich wurden wir gegen einen der Porzellan-Oefen hin geschoben. Hinein zu gehen war gefährlich ; es blieb nur der Rückzug durch das tobende Menschengewühl übrig. Wir kamen glücklich in unser Boot, das unter Hunderten von anderen Booten lag. Sofort waren diese, ebenso wie das Ufer weithin, von Menschen dicht besetzt. Es wäre nutzlos, die Reihe komischer Abenteuer zu beschreiben, die wir bis zur abendlichen Polizeistunde erlebten.') Wohin wir mit unserem Boot flüchten mochten, stets kam eine ganze Flotille anderer, voll besetzter Boote auf uns zu und umzingelte uns. Kamen wir in die Nähe der Stadt, so flog ein Hagel von Scherben auf das Dach unseres Bootes. Ich hatte eine Einführungskarte an ein Kaufmannshaus geschickt. Man kam mit einem Polizeisoldaten als Escorte, um uns abzuholen. Wir gelangten trotz des Drängens nach dem Haus, wo uns Nachtquartier angeboten wurde. Aber der Kaufmann erkannte bald die Gefahr der Belagerung, der das Haus sofort ausgesetzt war, und da er auf mein Bemerken, dass ich nicht gekommen sei, um Einkäufe zu machen, das Interesse an mir verlor, so war er froh, als seine Gäste freiwillig das Boot vorzogen und sich unter manchem Ungemach dorthin zurück begaben. Ein Versuch, die Hilfe der Mandarine in Anspruch zu nehmen, misslang. Sie haben selbst eine schwierige Stellung an diesem Ort und wählten, Einer nach dem Andern den weisen Ausweg, sich als zufällig gerade an diesem Tag vom Ort abwesend melden zu lassen. Ueber alle Dem verging der Tag. Ich erkannte, dass es nutzlos sei, länger hier zu bleiben. Auch ein Versuch, eine geordnete Sammlung der für die Mischung des Porzellans, die Glasur und die Farben verwendeten Materialien zu erhalten, schlug fehl, da die Bewohner das vermeintliche Geheimniss ihres Gewerbes zu wahren suchten.2) — Es war nun allerdings auch nicht leicht, fort zu kommen. Ich wünschte, zu Lande weiter zu gehen, mit Tragstühlen und Gepäckträgern. Aber es wurden die unerhörtesten Forderungen gestellt. Es gelang mir schliesslich, für den folgenden Tag ein Boot mit sieben Mann Besatzung für die Strecke bis Ki-snönn-hsiën zu miethen. Es werden 240 li zu Land, 36o zu Wasser gerechnet. Die Fahrt war auf fünf Tage veranschlagt. Der ausbedungene Preis von I0000 tsiën (damals etwa 38 Mark) war sehr gering. -

Trotz dieses Misserfolges wäre es kein aussichtsloses Unternehmen, mit einem Aufwand von Beharrlichkeit die Methoden der hiesigen Porzellan-Fabrication, wenn sie jetzt überhaupt noch ein Interesse gewähren kann, kennen zu lernen. Es würden zwei Wochen dazu erforderlich sein. Man müsste die Bewohner einer bestimmten Gegend des Ortes systematisch an den Anblick der Fremden gewöhnen ; dann würde man täglich einen Schritt weiter kommen.

Schon Pater MARTINI wusste, dass King-tő tshönn nicht an dem Ort gebaut ist, an dem das zur Porzellan-Bereitung erforderliche Material vorkommt. Er meinte, dass alles aus Hwéitshóufu in Nganhwéi komme. Dies ist richtig für einen Theil desselben; aber es wird aus allen Himmelsrichtungen zugeführt. Tausende von kleinen Fahrzeugen lagen vor dem Ort, um ihre geringwertige Fracht abzuladen. Vorwaltend sind die verschiedenen Erden ; dazu kommen Ziegelsteine, Feuerungsmaterial und Lebensmittel. Die Kohle von Möng-shan spielt eine geringe Rolle. Dagegen gab es sehr viele Ladungen von trockenem Reisig. Hunderte von Booten hatten nichts als hoch aufgespeicherte Schober von Farnkraut, dazu noch eine andere strauchartige Pflanze. DENTRECOLLES hat zuerst berichtet, dass Farnkraut-Asche zur Glasur verwendet wird. Man schichtet abwechselnd Lagen von Farnkraut und gebranntem Kalk über einander und steckt den ganzen Haufen in Brand. Die Asche wird dann bei dem folgenden Prozess mit dazwischen geschichtet, und dies geschieht mehrere Male. Die sich ergebenden Kali- und Kalksalze werden mit anderem Glasurmaterial vermengt. Aus dieser Verbrennung stammen die grossen schwarzen Rauchsäulen, die von King--tshönn aufsteigen.

[CLENNELL, der 19o5 den Fluss bis King-tő tshönn hinauf fuhr3), sah die Rauchwolken über

  1. [Die bewegten Erlebnisse in King-tó, die in »Tagebücher aus China«, Bd. I, S. 303-309, unter vollständiger Wiedergabe der Aufzeichnungen geschildert worden sind, haben, dem Grundsatz des Verfassers (s. oben, S. 5¢, Anm. 2) entsj5rechend, hier nur mehr andeutungsweise, in sehr gekürzter Darstellung, Berücksichtigung gefunden.]

  2. [S. dagegen unten, S. 617.]

  3. [S. CLENNELL, a. a. O., S. z¢f]

39.