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0695 China : vol.1
China : vol.1 / Page 695 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000260
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DAS WELTBILD DER KIRCHENVATER.

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fand'). Man suchte sich aus der heiligen Schrift die Stellen aus , welche auf die Gestalt der Erde und die Anordnung der Länder Bezug hatten , und verwarf die Lehren der classischen Schriftsteller, soweit sie damit nicht übereinzustimmen schienen, als ketzerisch. Diese-Bewegung hatte schon längst begonnen, als der Bischof ATHANASIUS von Alexandrien (um 325) seine Autorität für die Lage des Paradieses im Orient einsetzte '-') . Im 5ten Jahrhundert wurden die frommen Lehren von einzelnen Kirchenvätern , wie AUGUSTINUS und HIERONYMUS, in den Vordergrund gedrängt, und nachdem das sechste Jahrhundert, mit Ausnahme des Buches das der Indienfahrer COSMAS uns hinterlassen hat 3) , fast ohne nennenswerthe Leistung in der geographischen Literatur vorübergegangen war, fanden sie einen durchgreifenderen Ausdruck bei dem sehr gelehrten Bischof IsIDORUS von Sevilla (600-636) und dem ebenfalls dem 7ten Jahrhundert angehörigen 4) Geographen von Ravenna, dessen Name unbekannt geblieben ist 5) . Was sich jetzt noch aus dem Alterthum forterhielt, waren wesentlich Länderbeschreibungen, Verzeichnisse von Städtenamen, und besonders Fabeln, die gern wiederholt wurden. Je mehr diese Compilationen zu neuer Darstellung benutzt wurden , desto mehr wurden sie verflacht. Was in den alten Werken Wissenschaftliches enthalten war, das war längst vergessen, und man hätte es nicht verstanden, wenn man es gekannt hätte. Denn die ganze Anschauungsweise hatte sich geändert. Die Meisten stellten es als unmöglich und im Widerspruch mit der Schrift dar , dass es Antipoden gebe , und Einige, wie LacTANTIUS, leugneten die sphärische Gestalt der Erde. Diejenigen aber, welche, wie der heilige AUGUSTINUS, dieser Theorie nicht abgeneigt waren, meinten, dass, wenn es noch andere Ländergebiete ausser denjenigen, welche man damals zu dem Weltbild zusammenstellte, geben sollte, dieselben doch durch einen Ocean, in welchem wegen der Hitze kein Mensch existiren könne, von unserem bewohnten Land getrennt seien ; und daher sei es irrig zu glauben, dass Nachkommen von Adam sich dorthin hätten verbreiten können. MACROBIUS nahm zwar an , dass vier durch Oceane von einander getrennte Länderräume von gleicher Grösse auf der Erde vertheilt seien ; aber nur der unsrige sei bewohnt.

p

I) So weist MOMMSEN (a. a. O. p. NXX) nach, dass SOLINUS von AUGUSTINUS , CAPELLA , PRISCIANUS, SERVIUS und ISIDORUS ausgebeutet wurde.

z) Cf. Ravennat. anon. ed. GRONOVIUS

  1. S. oben S. 5z4.

  2. Der Geograph von Ravenna wird von Einigen in das 6te Jahrhundert versetzt ; allein er beruft sich in Lib. I, cap. V auf ISIDORUS, der im 7ten lebte.

  3. Es fehlt leider noch ganz an einer quellenmässigen Darstellung dieser Periode in der Geschichte der Geographie. In dem allmäligen Verdrängen hoch entwickelter wissenschaftlicher Erkenntniss durch unvollkommene, aber zur absoluten und unbestrittenen Herrschaft über die christliche Welt durchbrechende Doctrinen würde sie eine der lehrreichsten, wenn auch traurigsten Beiträge für die Geschichte des menschlichen Geistes bilden. PESCHEL hat diesen Abschnitt in seiner Geschichte der Erdkunde fast ganz vernachlässigt ; VIVIEN DE SAINT MARTIN hat ihm in der Histoire de la Géographie einen kurzen Paragraph gewidmet; LELEWEL (géographie du moyen age) war mit den Quellen jener frühen Zeit wenig bekannt, und für SANTAREM'S histoire de la cosmographie hatte sie geringes Interesse, weil er sich an die kartographischen Darstellungen hielt. Der Gegenstand hat zu wenig directe Beziehung zu unseren Aufgaben, um ihm hier über die flüchtige Andeutung hinaus Raum zu gewähren.

v. Richthofen, China. I.   40